Prüfstein für Synodalität:
Frauenweihe auf der Weltsynode in Rom offen thematisieren!

Sehr geehrter Heiliger Vater,

die römisch-katholische Kirche steht vor grossen Herausforderungen und Problemen. Die Welt ist im Umbruch und unsere Kirche muss sich – ohne ihren Glaubenskern zu verlieren – dieser Entwicklung stellen.

Dies führt schon seit einigen Jahren zu heftigen Kontroversen in der Kirche. In einigen Nationalkirchen wie in der Weltkirche haben diese Kontroversen Wunden geschlagen. Um die Wunden zu heilen, gibt es nur eine Lösung: Praktizierte Communio im lebendigen und offenen Dialog. Die Weltsynode schafft dafür mit der Weltbischofskonferenz 2023 zu Recht Platz.

Heilung gelingt aber nur, wenn die Weltsynode auch eines der besonders kontroversen Themen explizit aufgreift, das Priestertum der Frauen.

Wie Sie, Heiliger Vater, bin ich der Auffassung, „dass wir nicht nur in einer Zeit der Veränderungen leben, sondern vielmehr in einer Zeitenwende, die neue und alte Fragen aufwirft, angesichts derer eine Auseinandersetzung berechtigt und notwendig ist“ (Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, 29.6.2019).

Mit diesem Vorschlag für die Weltsynode möchte ich Ihnen auf einem Weg folgen, der uns „zur Suche nach einer freimütigen Antwort auf die gegenwärtige Situation ermuntert“ (ebenda).

Erlauben Sie mir zur Begründung meines Vorschlages folgende Bemerkungen.

1. Das Frauenpriestertum – ein aktuelles katholisches Thema

Beginnend mit dem II. Vaticanum ist das Frauenpriestertum in der römisch-katholischen Kirche ein kontroverses Thema. Mit der ersten öffentlichen Frauenweihe der „Donau Sieben“, die 2002 kirchenrechtswidrig erfolgte, begann eine Entwicklung, aus der bis heute etwa 300 Frauenpriesterinnen contra legem hervorgegangen sind. Aktivitäten (Gemeindeleitung u.a. in Amazonien) und Zeugnisse (s. Philippa Rath, „Weil Gott es so will„) vieler Frauen bekunden ihre Berufung zum Priesteramt.

Flankiert wird diese Entwicklung von einer Vielzahl von Organisationen, die sich für die Frauenweihe einsetzen. Maria 2.0 und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sind nur die öffentlichkeitswirksame Spitze dieses Eisberges in Deutschland. Weltweit gibt es viele ähnliche Initiativen, die über das Thema debattieren – auch wenn sie häufig weniger hörbar sind als in Europa und in den USA.

Auch Bischöfe erachten dieses Thema für relevant. Als einer von vielen befand 2020 der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Gerd Bätzing, dass er selbst als Teil einer Gesellschaft, in der die Gleichberechtigung dSynodalität in Aktion: „Frei und offen sprechen“er Geschlechter ein fundamentales Recht darstellt, zur innerkirchlichen Debatte: „Für mich ist die Frage nicht abgeschlossen, sondern sie ist als eine offene Frage da in der Kirche und muss als solche auch behandelt werden“.

2. Ordinatio sacerdotalis: kein Grund zum Schweigen

Als Papst Johannes Paul II. 1994 in seinem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis mit Nachdruck die Frauenweihe verwarf, erklärte er abschliessend, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (OS Nr. 4).

„Endgültig“ heisst selbstredend nur solange, bis die lehramtliche Auffassung sich ändert, was bekanntermassen immer wieder erfolgt. Solche Änderungen der Lehre sind nicht nur real, sondern auch wichtig, da sie die Zeichen der Zeit in die kirchliche Lehre und in einen lebendigen Glauben transformieren. Auch die derzeitige Lehre ist Ergebnis solcher Änderungen.

Vorher ist es für jeden Christen nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht, an diesen Änderungen mitzuwirken. Das kann durch eigene Reflexion, aber auch durch öffentliche Diskussion geschehen. Wer loyal auf eine Änderung der Lehre hinwirkt, beachtet die kirchliche Lehre und handelt ihr nicht zuwider. Wer offen über das Frauenpriestertum redet oder es für gut heisst, spricht nicht de doctrina lata, sondern de doctrina ferenda, nicht über die derzeitige Lehre, sondern über die zukünftige. Damit hält er sich an die päpstliche Entscheidung.

3. „Im Hören auf die Heilige Schrift“

Päpste kommen und gehen. Nur die Bibel bleibt. Was aber sagt die Bibel zur Frauenweihe? Die Auffassungen dazu sind kontrovers. Aber die Bibel ist nicht so ablehnend, wie die Kirche es erscheinen lässt.

Die höchste Autorität der Bibelauslegung, die päpstliche Bibelkommission befand 1976: Das Neue Testament fälle keine Entscheidung über die Ordination von Frauen zum Priestertum und folglich könne kein Verbot von Priesterinnen aus neutestamentlichen Aussagen herausgelesen werden; auch werde der Heilsplan Christi durch die Zulassung der Frauenordination nicht überschritten oder verfälscht.

Zu Recht thematisiert das vatikanische Vorbereitungsdokument für die Weltsynode „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ das „Hören auf die Heilige Schrift“ (Kapitel III) als zentrales Element einer synodalen Kirche. Es fordert das „gemeinsame Hören auf den Geist“ und verweist dabei auf Jesus:

„In einer Weise, welche die Zeugen überrascht …, nimmt Jesus all diejenigen als Gesprächspartner an, die aus der Menge heraustreten: er hört sich die leidenschaftlichen Einwände der kanaanäischen Frau an (Mt 15,21-28), die es nicht akzeptieren kann, dass sie vom Segen, den Er bringt, ausgeschlossen wird“ (Vorbereitungsdokument S. 13).

4. Synodalität in Aktion: „Frei und offen sprechen“

Eine synodale Kirche „geht gemeinsam“ und lädt demzufolge alle dazu ein, „mit Mut und Freimut zu sprechen“ (Vorbereitungsdokument S. 20). Das ist heute in der römisch-katholischen Kirche nicht selbstverständlich. Vielerorts ist es nicht möglich, weil die Freiheit dazu innerkirchlich aktiv unterdrückt wird.

In Deutschland und in benachbarten Ländern ist die freie Meinungsäusserung in jüngerer Zeit viel leichter geworden. Wer heute beispielsweise die Debatte über die Frauenweihe normativ für beendet erklärt, gehört innerkirchlich zu einer Minderheit. Wer sie zu unterbinden versucht, trifft auf wirkmächtige innerkirchliche, gesellschaftliche und rechtliche Widerstände. Er wird – auch als Hirte – kaum noch ernst genommen, weil er mit der Verweigerung der Debatte christliche Werte diskreditiert (vgl. Pacem in terris Nr. 7) und damit den Niedergang der Kirche beschleunigt.

In vielen Ländern vor allem ausserhalb Europas ist dies anders. Wer dort offen über das Frauenpriestertum spricht, ja es zukünftig für erstrebenswert hält, muss Sanktionen wie den Entzug der Missio oder sonstige arbeits- und dienstrechliche Einschränkungen fürchten. Solche innerkirchlichen Sanktionen von freien Meinungsäusserungen über die zukünftige Lehre der Kirche sind absolut inakzeptabel. Sie müssen unbedingt aufhören.

Die Weltsynode sollte mit einem guten Beispiel voran gehen, indem sie eine Debatte zum Frauenpriestertum offen führt. Damit würde die Kirche aktiv christliche Werte verteidigen, die in vielen Ländern unverändert von einigen Bischöfen grob missachtet werden.

5. Vorschlag für die Weltsynode
  • In tiefer Sorge um die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland und
  • in weltkirchlicher Mitverantwortung für die Heilung der durch stetige Kontroversen entstandenen und entstehenden Wunden,

bitte ich Sie, eine eingehende Debatte über das Frauenpriestertum in der römisch-katholischen Kirche auf der Bischofskonferenz der Weltsynode 2023 zu ermöglichen und offiziell vorzusehen, die

  • offen ist für jeden – für Laien und Kleriker -,
  • offen ist für alle Inhalte und
  • offen ist für alle Ergebnisse.

Die Zeit ist reif. Eine Weltsynode, die sich heute nicht für eine Debatte über das Thema Frauenpriestertum in unserer Kirche öffnet, hätte ihren eigenen Anspruch verfehlt.

Ich wünsche unserer Kirche den Mut, die Zeichen der Zeit zu erkennen und gemeinschaftlich in den heilenden Austausch zu gehen – also wirklich syn-odal zu sein.

Hochachtungsvoll in Christus verbunden

Stephan Rohn