Zur Päpstin …

… ist es nur eine Frage der Zeit

Die Einführung des Frauenwahlrechts in Frankreich erfolgte erst etwa 150 Jahre nach der französischen Revolution. 60 Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil sieht es so aus, dass die Frauenweihe nicht so lange warten muss.

Kirchenhistoriker
I. Etappen des Weges

Die Einführung der Frauenweihe in der katholischen Kirche ist der Abschluss einer unausweichlichen historischen Entwicklung. Sie führt zu einer epochalen Veränderung in der katholischen Kirche, die nur mit der Reformation vergleichbar ist. Ungewiss ist, wann dies sein wird und wie schmerzvoll der Prozess sein wird. Erst mit dem ersten weiblichen Pontifikat wird er beendet sein.

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Der Weg dahin ist – bei aller Skepsis gegen diese Sichtweise – ein normaler Entwicklungs- oder Transformationsprozess einer grossen sozialen Organisation. Auch in der ältesten und grössten Organisation der Menschheit dürfte er nach organisationswissenschaftlichen Erfahrungen in folgenden Etappen ablaufen:

Etappe 1: Verunsicherung des Systems

Nach dem II. Vaticanum, wo erstmals öffentlich das Frauenpriestertum gefordert wurde, und nach der ersten (kirchenrechtswidrigen) Frauenweihe der Donau Sieben 2002 steigt die Zahl der Befürworter für die Frauenweihe kontinuierlich. Dies ist wie ein Pegelanstieg, nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht. Der Pegel erreicht zuerst die Gemeindemitglieder, Religionslehrer, Pastoralmitarbeiter und Priester; danach erreicht er die Entscheidungsträger und Multiplikatoren der mittleren Ebene (Hochschullehrer, Akademie- und Ordensleiter) und zuletzt die Bischöfe.

Dabei gibt es zuerst in jeder Gruppe einige Vorreiter (Avantgarde), danach folgt die Mehrheit (Mainstream). In jeder Gruppe kommt es im Laufe des Veränderungsprozesses zu Konfrontation und Streit, die die Gruppe – insbesondere bis zur Herausbildung einer sicheren und stabilen Mehrheit – selbst schwer belasten können.

Die Situation der Bischöfe ist besonders schwierig, da sie – organisationswissenschaftlich gesehen – das mittlere Management bilden und damit sowohl den Erwartungen und dem Druck von oben als auch von unten ausgesetzt sind. Allerdings kommt hier anders als üblich der Änderungsdruck von unten. Die Herde geht – kirchlich gesprochen – voran, was für umfassende kirchliche Reformprozesse typisch ist, wie die Kirchengeschichte zeigt. Infolgedessen zeigen sich die Bischöfe angesichts der Frauenweihe-Diskussion erst betroffen und verunsichert, später neutral und dann zunehmend offen für die Veränderung.

Typisch in dieser Etappe ist, dass sich die Beweislast der Auseinandersetzung umkehrt: Waren es bisher die Reformer, denen eine Begründung abgefordert wurde, so sind es zunehmend die Traditionalisten, die das Beharren auf dem Status quo der Ungleichbehandlung begründen müssen. Die amtliche Kirche gerät damit in die Defensive. Dies ist ein erstes subtiles Anzeichen dafür, dass der Transformationsprozess unaufhaltbar wird.

Natürlich erfolgt die Entwicklung weltkirchlich nicht im Gleichschritt. Einige Regionen gehen voran, insbesondere diejenigen, in denen die Gleichstellung der Frauen auch politisch-gesellschaftlich weit fortgeschritten ist.

Etappe 2: Zuspitzung der Debatte

In dieser Etappe wächst die Welle der Befürworter in den fortschrittlichen Regionen der Weltkirche zunehmend an. Sie umfasst mittlerweile auch die weit überwiegende Zahl von theologischen Hochschullehrern und akademischen Vertretern des Glaubens. Mit dem ersten Bischof, der offen für die Einführung der Frauenweihe eintritt, erreicht der Reformprozess jetzt eine neue Qualität.

Die kirchenrechtlichen Instrumentarien und sonstigen Sanktionsmöglichkeiten reichen nun nicht mehr aus, um die Debatte um das Frauenpriestertum zu unterdrücken und aufzuhalten. Der Diskurs kann sich frei entfalten und erweitert sich damit in den fortgeschrittenen Regionen immer weiter. Aber auch offener Ungehorsam gegenüber geschlechtsspezifischen Restriktionen (z.B. Verbot der Homilie oder der Krankensalbung durch Frauen, der Sakramentenspendung gegenüber Exkommunizierten) und gegen dienstliche Äusserungsverbote nimmt zu und wird zum Massenphänomen.

Weltkirchlich ist diese Etappe dadurch gekennzeichnet, dass die fortgeschrittenen Regionen eine Leuchtturm-Wirkung entfalten. In einer Wechselwirkung zwischen den unterschiedlich fortgeschrittenen Regionen entstehen Netzwerke, mittels derer die fortgeschrittenen Regionen gezielt die Aktivitäten in den weniger fortgeschrittenen Regionen wirksam unterstützen.

Somit entsteht aus dem bisher regional begrenzten Mainstream der Innovation eine globale Entwicklung, die eine zunehmende Zahl von Regionen zu Befürwortern des Frauenpriestertums werden lässt. Der Druck auf die vatikanische Position nimmt spürbar zu, weil er aus weiten Teilen der Weltkirche ausgeübt wird. Theologisch erwächst aus der unfehlbaren Gemeinschaft der Gläubigen (Lumen gentium Nr. 12), eine Kraft, die zunehmend in der Lage ist, den lehramtlichen Frauenausschluss zu überwinden.

Zugleich oder kurz danach kommt es zu einer kritischen Situation: Die abnehmende, zuletzt kleine, aber wirkmächtige Zahl der Gegner der Frauenweihe erkennt das, was sie bis dahin noch nicht gesehen hat: Die Welle der Veränderung ist nicht mehr aufzuhalten, die Transformation ist unvermeidlich und unumkehrbar. Ihre Reaktion darauf ist unberechenbar. Einige von ihnen werden die Veränderung möglicherweise als persönliche Niederlage empfinden, jedenfalls um keinen Preis hinnehmen wollen. Anstatt die unvermeidliche Situation hinzunehmen, wirken sie destruktiv und nehmen es in Kauf, dass sich die Diskussion weiter verlängert und das Leiden der Kirche an ihr auch.

Dies kann den Bestand der Kirche gefährden oder eine Spaltung nach sich ziehen. Möglicherweise kann nur ein Papst, der die ausreichende Einsicht in die Notwendigkeit besitzt und klug handelt, gratwandernd eine schwere Schädigung der Kirche verhindern. Dabei könnte die Einführung des Frauendiakonats in welcher Form auch immer eine wichtige Rolle spielen, aber den Prozess grundsätzlich nicht aufhalten.

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Etappe 3: Kippen der Tradition

Die Tradition beginnt zu kippen, wenn Frauen offen zur Diakonin geweiht werden – möglicherweise ohne kirchenrechtliche Grundlage und nur geduldet; damit erreichen sie die unterste Stufe des dreistufigen Weihe-Ordo. Die Tradition kippt, wenn später in änderungsreifen Regionen Frauen erstmals zu Priesterinnen geweiht werden. Basis ist eine de-facto- oder de jure-Freigabe der Priesterweihe von Frauen für einzelne Nationalkirchen, vermutlich synodal unterstützt.

Eine de-facto-Freigabe durch ein passives Hinnehmen von Frauenweihen ist seit 2021 deutlich erschwert worden. Mit dem neuen can. 1379 § 3 CIC ist das „Vortäuschen“ einer Weihe, wie die kirchenrechtswidrige Weihe genannt wird, für alle daran Beteiligten strafbar. Die Exkommunikation erfolgt automatisch mit der Vornahme der Weihe. Aber wie alle Strafvorschriften könnte auch diese Norm durch bewusste Nichtanwendung an Bedeutung verlieren. Dann würden unerlaubt geweihte Priesterinnen ihrer Tätigkeit unbehelligt nachgehen können, weil sie nicht sanktioniert werden (wie dies bei Messdienerinnen der Fall war). Dies ist sicherlich – insbesondere für die betroffenen Frauen – keine gute Lösung, könnte aber in den ersten Nationalkirchen eine zeitlich begrenzte Praxis darstellen.

Soweit die Kirche die Vornahme (regionaler) Frauenweihen nicht lediglich passiv hinnimmt, sondern de jure freigibt (durch Änderung von can. 1024 CIC oder ein Indult, wie es derzeit für den Frauendiakonat diskutiert wird), wäre zuvor eine explizite Änderung der – 1994 als „endgültig“ bezeichneten – Lehre erforderlich. Lehränderungen hat es immer wieder in der Kirchengeschichte gegeben. Aber damit tut sich die Kirche angesichts ihres ausgeprägten Traditionsbewusstseins schwer. Sie würde daher die Änderung der Lehre zu kaschieren versuchen.

Ein solcher Versuch könnte sich auf Papst Johannes XXIII. berufen. Er hatte bereits 1963 die „Teilnahme der Frau am öffentlichen Leben“ thematisiert, die in christlichen Ländern schneller als in anderen stattfinde (Enzyklika Pacem in terris Nr. 22). Für ihn war die Frauenbewegung ein „Zeichen der Zeit“, mit dem Gott auf erforderliche Veränderungen hinweist. Darauf verweisend könnte die Freigabe der Frauenweihe damit begründet werden, dass mit dem raschen Fortschreiten dieser Entwicklung nun in einigen Regionen die „Zeit reif“ dafür sei, dass Frauen auch Verantwortung im Priesteramt übernähmen. Dies sei Ergebnis eines historisch-gesellschaftlichen Prozesses, der zu Christi Zeiten noch nicht absehbar gewesen sei und während des II. Vatikanischen Konzils erst begonnen habe.

Mit der Einführung der Weihe von Priesterinnen in der Etappe 3 wird der mittlerweile überwältigenden Nichtakzeptanz des Frauenausschlusses in einzelnen Nationalkirchen Rechnung getragen. Zugleich wird eine nationale Abspaltung (Schisma) vermieden. Ein Abspaltungs-Szenario ist für Deutschland durchaus realistisch und deswegen bedrohlich:

Angesichts eigener Finanzquellen der deutschen katholischen Kirche (Kirchensteuer) besitzt der Vatikan keine ökonomischen Druckmittel gegen die deutschen Katholiken. Auch auf das bestehende Geflecht staatskirchenrechtlicher Vereinbarungen kann sich der Vatikan als Schutz vor Abspaltung nicht sicher verlassen. Zu gross ist die Gefahr einer nationalkirchlichen Revision der Konkordate im Zeichen der Gleichberechtigung. Diese können die Katholiken unter Führung ihrer Bischöfe in Deutschland ernsthaft betreiben, da sie mit dem Verband der Diözesen Deutschlands (VDD KöR, Rechtsträger der DBK) rechtsfähig und somit rechtlich handlungsfähig sind. Da die gesellschaftliche Akzeptanz für die Sonderrolle der Kirchen als Tendenzbetriebe mit grundrechtsfreien Räumen deutlich abgenommen hat, könnte eine solche Revision – vielleicht sogar politisch initiiert – erfolgreich gelingen.

Aber zur Abspaltung lässt es der Vatikan nicht kommen, selbst wenn er immer noch Vorbehalte gegen die Frauenweihe hätte. Es sind keine existentiellen Interessen der Zentralkirche betroffen, weder hinsichtlich der Finanzquellen (wie früher beim Ablasshandel) noch hinsichtlich der römischen Zentralgewalt (verbliebene traditionalistische Gegner der Frauenweihe in einzelnen Nationalkirchen werden durch regionale Sonderrechte weitgehend befriedet). Die Kirche erkennt, dass sie insgesamt durch die Einführung der Frauenweihe nur gewinnen kann. Sie weiss: Überwindet man die Hemmnisse in den Köpfen (Mindset-Change), realisiert sich eine klassische Win-Win-Situation.

Grundlage des Abspaltungspotentials in dieser Etappe bildet die personelle Situation der katholischen Kirche. Da seit der vorausgehenden Etappe 2 nahezu alle episcopablen Priester in Deutschland der Frauenweihe positiv gegenüber stehen, dominieren mittlerweile die Befürworter der Frauenweihe trotz gegenläufiger vatikanischer Bemühungen die Deutsche Bischofskonferenz. Für Klerus und Laien könnte sich bei anhaltendem Verbot der Frauenweihe eine Abspaltung als der einzige probate Ausweg darstellen, um den katholischen Glauben zu leben und auf diese Weise als nationale Glaubensgemeinschaft zu überleben. Kurz gesagt: Die Einführung der Frauenweihe wird der Vatikan letztlich nicht beeinflussen können, sondern nur, ob sie mit oder ohne Spaltung einher geht.

Ausserdem hat die Kirche aus dem traumatischen Erlebnis der Reformation gelernt, weil sie die Ähnlichkeit der Situation erkennt: Als ab 1487 das spanische Nationalkonzil von Sevilla – als Vorreiter vieler Reformwilliger – den Ablasshandel verbieten wollte, blockierte Rom im V. Laterankonzil 1517 die Beseitigung dieses Missstandes. Damit löste Rom die Kirchenspaltung aus. Und verbot schliesslich – fast 5 Jahrzehnte später – den Ablasshandel doch, im Konzil von Trient 1562. Damit könnte das reformfreudige Nationalkonzil von Sevilla zum Menetekel für den Synodalen Weg in Deutschland werden.

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Etappe 4: Organisatorische Transformation

Die Freigabe der Frauenweihe löst einen positiven, euphorischen Schub in der jeweiligen Teilkirche aus, der auf die verbliebenen änderungsresistenten Regionen positiv ausstrahlt. Nach der ersten, vorerst regionalen Einführung der Frauenordination erfolgt nun eine Konsolidierungsetappe:

  • Regionale Ausbreitung der Frauenordination sowie rechtlich-organisatorische Konsolidierung. Diese beinhaltet beispielsweise die Einrichtung koedukativer Priesterseminare, die genauso selbstverständlich sein werden, wie bisher koedukative theologische Fakultäten.
  • Hierarchische Ausbreitung der Frauenordination mit kirchenrechtlicher Ermöglichung weiblicher Bischöfe. Gegen Ende dieser Phase erfolgt die 1. legale Weihe einer römisch-katholischen Bischöfin.
  • Angehen weiterer kritischer Themen und Behebung weiterer Missstände, was nach dem mentalen „Auftauen“ nun viel leichter möglich wird (z.B. Diskriminierung von Homosexuellen).

Die Gegner der Frauenweihe sind in dieser Etappe weitgehend marginalisiert, aber nicht untätig. Daher ist immer noch mit Abspaltungen von Traditionalisten zu rechnen. Treten sie ein, werden sie als letztlich nicht gravierend von der Gesamtkirche hingenommen, obwohl sie schmerzlich sind. In dem Wissen, dass dies schon früher bei unabweisbaren Reformen geschehen ist, übersteht die Kirche diese Erschütterungen.

Etappe 5: Etablierung des neuen Denkens

In der darauf folgenden letzten Etappe, die einen langen Zeitraum umfasst, setzen sich erst langsam, dann zunehmend nicht nur einzelne Frauen durch und steigen in der Hierarchie auf. Diese Etappe ist mit Rückschlägen und Enttäuschungen verbunden und erfordert Geduld insbesondere auf Seiten der Frauen. Es geht darum, die erfolgte (normative) Gleichberechtigung wirksam und endgültig in (tatsächliche) Gleichstellung umzusetzen – gegen die teilweise tief sitzenden Vorbehalte der letzten verbliebenen Skeptiker und Gegner.

Meilensteine auf dem Weg zur Gleichstellung sind der erste weibliche Bischof und der erste weibliche Kardinal. Die Bedeutung dieses Schrittes haben die Entwicklungen in anderen Kirchen aufgezeigt, z.B. in der evangelischen Kirche (1992), der anglikanischen Church of England (2015) und der altkatholischen Kirche (2023): Die – vielfach hoch umstrittene – Ordination oder Weihe von Bischöfinnen bringt für die Frauen in der Kirche den Durchbruch und eine nachhaltige Akzeptanz.

Wenn etwa 1/3 der Bischöfe und später der Kardinäle durch Frauen gestellt werden, dürfte das erste weibliche Pontifikat anstehen. Mit der Wahl der ersten Päpstin ist der Transformationsprozess beendet.

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Der Abschluss der Transformation stellt nicht nur eine Reform dar, sondern auch eine Heilung der Kirche. Zugleich wäre ein weit sichtbares Zeichen dafür gesetzt, dass die römisch-katholische Kirche – auch im internen Umgang mit Frauen – den Namen Christi zu Recht trägt und ihn nicht mit der Diskriminierung von Frauen diskreditiert. Das könnte mit dazu beitragen, dass die katholische Kirche das bei vielen Menschen in der Welt verlorene Vertrauen zurück gewinnt.

Gleichzeitig kommt die Kirche in dieser Etappe wieder zu Ruhe, weil nun die Diskussion über die Frauenweihe tatsächlich beendet ist. Die Umwälzungen haben Kraft gekostet und von wichtigen anderen Anliegen abgelenkt. Aber die gewonnene Freude über die überfällige Erneuerung übertrifft die entstandenen Enttäuschungen. So heilen auch die unvermeidlichen Wunden dieses epochalen Veränderungsprozesses und lassen die Kirche gestärkt aus ihm hervorgehen.

II. Stand des Weges

Als Startpunkt des Entwicklungsprozesses zur Frauenweihe kann das II. Vatikanische Konzil von 1961-1965 angesehen werden; er dauert mithin schon 60 Jahre. Das Prozesstempo hat aber – nach einer durch die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. verursachten längeren Latenz – nicht nur in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

Aktuelle Etappe in Deutschland

Heute kann davon ausgegangen werden, dass zumindest in Deutschland die Etappe 2 nicht nur erreicht, sondern auch weit fortgeschritten ist. Ähnliches gilt für andere deutschsprachige Länder, teilweise auch für andere europäische Länder.

Anzeichen für das vollständige Erreichen der Etappe 2 in Deutschland:

  • Mit den Osnabrücker Thesen des ZdK von 2017 wurde ein Umkehr der Beweislast gefordert: Nicht die Frauenweihe, sondern ihr Ausschluss ist begründungspflichtig. Diese Forderung ist mittlerweile im öffentlichen Diskurs weitgehend eingelöst.
  • Die Debatte über das Frauenpriestertum wurde im Rahmen des Synodalen Weges in Deutschland offen geführt. Auf Augenhöhe waren Laien und Kleriker bis hin zu Bischöfen beteiligt und haben Synodalität in beispielhafter Weise praktiziert.
  • Bischöfe äussern offen ihre Sympathie für die Frauenweihe. Auf dem Synodalen Weg haben gut 80% der deutschen Bischöfe die Überprüfung des Ausschlusses der Frauenweihe vom Priesteramt vom Papst und ihren Zugang zum Diakonat gefordert. Dies ist eine kirchengeschichtlich einmalige Konfrontation mit dem Vatikan in der Neuzeit.
  • Noch weiter ist der einfache Klerus: Selbst Reform-Skeptiker gehen davon aus, dass mittlerweile über die Hälfte der Priester in Deutschland der Frauenweihe befürwortend gegenüber stehen.

Der Reformprozess wird in den kommenden Jahren nicht zuletzt durch den demografischen Faktor weiter beschleunigt werden: Denn die Gegner der Frauenweihe gehören überwiegend einer höheren Altersgruppe an als ihre Befürworter.

Aktuelle Etappe in anderen Regionen

Auch andere Länder haben bereits die Etappe 2 erreicht oder stehen kurz davor. Dies sind insbesondere europäische Länder und die USA (die allerdings tief gespalten sind). In Südamerika nehmen (Ordens-) Frauen unbehelligt und selbstverständlich priesterliche Handlungen bis zur Feier der Eucharistie wahr; nicht zuletzt die Empfehlungen der Amazonas-Synode 2019 haben die auch in Südamerika mittlerweile weit verbreiteten Forderungen nach Gleichberechtigung verdeutlicht.

Viele weitere weltkirchliche Regionen befinden sich in der Etappe 1, stehen aber eher noch an ihrem Anfang. Dies gilt insbesondere für Länder, in denen die gesellschaftliche Gleichstellung der Frau defizitär ist.

Allerdings kann man davon ausgehen, dass etliche Regionen weiter sind, als gemeinhin erkennbar ist. Ein Zeichen dafür dürften sakramentale Handlungen von Frauen sein, die aus Furcht vor Sanktionen verdeckt stattfinden und daher vielfach nicht öffentlich bekannt werden. Auch das weltweit grosse Interesse an kirchlichen Reform-Diskussionen wie dem Synodalen Weg in Deutschland zeigt, dass in diesen Regionen die Etappe 1 des Reform-Prozess Fahrt aufgenommen hat.

Fazit: Die Schliessung der Gerechtigkeitslücke durch Einführung der Frauenweihe wird die römische Kirche letztlich nicht beeinflussen können, sondern nur, ob sie mit ohne Spaltung einher geht.