Zum Tod von Benedikt XVI. – ein offenes Wort

31. Dezember 2022

Wir trauern um Kardinal Joseph Ratzinger und Papst Benedikt XVI., der heute mit 95 Jahren gestorben ist. Er war ein brillanter Theologe, aber kein guter Papst.

In seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst hat er die Kirche nachhaltig geprägt. Aus dem Elfenbeinturm seiner Gelehrsamkeit hat er sie aber nicht in die Zukunft führen können. Dazu fehlte ihm der Realitätsbezug, die Verwurzelung in der Wirklichkeit. Beim Umgang mit Frauen, Homosexuellen und Missbrauchten hat er die Kirche unglaubwürdig gemacht und ihr damit nachhaltig geschadet. Gefangen im Zeitgeist seiner Jugend hat er sie über 30 Jahre lang in eine Sackgasse geführt. Sein grösstes Verdienst als Papst war es, dass er seine eigene Unfähigkeit erkannte und den Mut aufbrachte, 2013 sein Amt nieder zu legen.

Wie geht es nun weiter? Papst Franziskus wird es nun leichter fallen, zukünftig ebenfalls sein Amt nieder zu legen. Wenn er einem Nachfolger Platz macht, könnte sich eine der beiden grössten Gefahren für unsere römisch-katholische Kirche realisieren: Ein Pontifikat von Papst Johannes Paul III. oder von Papst Benedikt der XVII. Es möge verhütet werden!

Übrigens ist die Erinnerung an Benedikt XVI. damit verbunden, dass er diejenigen, die seine Meinung nicht teilten, als „laue Christen“ ansah. Da stellt sich die Frage, wann ist ein Christ lau? Ist es nicht eher derjenige, der Menschen diskriminiert und damit die Menschenrechte verletzt. Ist dieser nicht deswegen lau, weil er die Botschaft Christi nicht radikal umsetzt, die die Gleichheit aller Menschen (Gal 3,28) aus der göttlichen Menschenwürde ableitete? Ist er nicht deswegen lau, weil er sich hinter der Tradition versteckt, anstatt für christliche Werte zu kämpfen?

Wir verabschieden uns heute von einem wortmächtigen Gelehrten, einem schlechten Papst und einem – nach eigenem Massstab – lauen Christen.