Querida Amazonia I: Die Klerikalisierung der Frauen?
16. April 2020
Papst Franziskus stellt seine Ausführungen zur Abweisung der Frauenweihe in seinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Querida Amazonia von 2020 unter die Überschrift „Die Kraft und die Gabe der Frauen“. Er reagierte damit auf die 2019 auf der Amazonas-Synode erhobene Forderung nach der Frauenweihe für den Diakonat, die im Abschlussdokument der Synode enthalten war.
Seine Argumente darin sind nicht überzeugend. Und sie lassen – trotz lobender Eingangsworte – Respekt und Empathie gegenüber Frauen vermissen. Schauen wir uns den Schwerpunkt seiner Ausführungen an. Papst Franziskus befürchtet, dass die Zulassung der Frauen zur Weihe „auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken würde“ (QA Nr. 100). Das verblüfft. Was meint der Papst hier mit Klerikalisierung?
Zum einen könnte er damit den Wechsel vom Laien zum Kleriker durch die Weihe meinen. Das wäre eine wertneutrale Beschreibung, wonach ein Mensch, der geweiht wird, klerikalisiert wird. In Zeiten des Priestermangels ist die Klerikalisierung dann etwas Gutes, da sie den Mangel mindert. Es sei denn, man sieht – anders als der Papst – das Priesteramt als solches kritisch und fordert seine Abschaffung oder zumindest mehr Einfluss der Laien. Aber so trivial scheint Papst Franziskus das Wort nicht zu gebrauchen.
Zum anderen könnte der Papst eine Wertung beabsichtigt haben. Denn es scheint etwas negatives in der Formulierung mitzuschwingen, ein Bedauern: Das Priesteramt tut den Frauen nicht gut. Er spricht ja auch von einer „Verarmung ihres Beitrages“ als Folge ihrer Klerikalisierung. Damit würde dieser Begriff in die Nähe des eindeutig pejorativen Begriffs Klerikalismus rücken. Dies erscheint viel eher die richtige Deutung der päpstlichen Diktion zu sein.
Das Problem mit den Frauen
Aber wie kann es sein, dass die Kombination aus Frauen und Weihe die Klerikalisierung – also die Entstehung einer Art Klerikalismus – begünstigt? Und damit einen Missstand, den Franziskus selbst als grosses Übel und unter anderem als Ursache für das kirchliche Missbrauchsgeschehen ausgemacht hat?
Sucht man darauf eine Antwort, so könnte es entweder am Priesteramt liegen oder an den Frauen. Dass es am Priesteramt liegt, dürfte Franziskus nicht annehmen. Damit würde er dieses selbst als problembringend ansehen. Da ausserdem Männer gleichermassen davon betroffen wären, wenn das Priesteramt als solches nicht gut täte, würde diese Sicht einen Frauenausschluss nicht rechtfertigen. Aber wenn es nicht am Priesteramt liegt, kann es nur an den Frauen liegen.
Damit begibt sich Franziskus auf sehr dünnes Eis. Der gerade auch von Franziskus selbst kritisierte Klerikalismus in der katholischen Kirche ist schliesslich ein reines Männerprodukt. Und nun behauptet der führende Vertreter dieser Männerkirche, dass Frauen diesen Missstand begünstigen? Das ist nicht nachvollziehbar und erscheint abwegig. Das Gegenteil dürfte zutreffend sein: Frauen wirken der (negativen) Klerikalisierung entgegen. Sie sind die Lösung, nicht das Problem.
Die Lösung für die Frauen
Aber folgen wir dem Papst, der die Gefahr der Klerikalisierung der Frauen sieht. Was tut er zum Schutz gegen ihre Deformation durch das Priesteramt mit negativen Folgen für die Kirche? Will er den Frauen beistehen? Dies könnte er tun, indem er vorbeugende Massnahmen zum Schutz der Frauen vor der Klerikalisierung trifft. Oder indem er einzelne Frauen, die davon betroffen sind, individuell unterstützt. Nein, er hilft ihnen nicht, der von ihm beschworenen Gefahr zu entgehen.
Stattdessen macht er es sich leicht und verbannt alle Frauen aus der Risikozone Priesteramt. Er beschneidet pauschal ihre Freiheit und damit ihre Möglichkeit, in selbstbestimmter Form Gott zu dienen. Natürlich nur zu ihrem eigenen Schutz. Eine Bevormundung zum Selbstschutz. Selbst wohlmeinende Menschen werden darin Paternalismus erkennen, eine subtile, aber besonders entwürdigende Form sexueller Diskriminierung. Anders als Männern wird Frauen das Recht verweigert, selbst darüber zu bestimmen, wie sie Christus folgen.
Die paternalistische Diskriminierung ist beileibe kein rein kirchlicher Missstand. Wir kennen die Vorgesetzten, die immer noch Frauen mit der Bemerkung abweisen: „Ihre Verdienste sind so offenkundig und anerkannt, da brauchen Sie die neue Position nicht zur Bestätigung. Oder wollen Sie so machtbesessen werden wie die Männer?“. Aber in der Kirche schmerzt diese Diskriminierung um so mehr. Und gerade angesichts der päpstlichen Wertschätzung der Frauen (QA Nr. 99) werden viele Menschen die Worte von Franziskus als Verhöhnung empfinden. Oder als ein vergiftetes Lob.