Auch hinter Klostermauern ist die Diskriminierung wegen des Geschlechts ein aktuelles Thema. Leider kaum in Männerklöstern, aber zunehmend in Frauenklöstern. So fordern die Benediktinerinnen von Fahr, des 1130 gegründeten Frauenkonvents des Männerklosters Einsiedeln in der Schweiz, tiefgreifende kirchliche Reformen. Selbstbewusst rufen sie seit 2019 zum „Gebet am Donnerstag“ auf, bei dem wöchentlich mit deutlichen Worten für die Gleichstellung von Frauen in der Kirche gebetet wird.
Gechlechtergerechte Texte gab es aber auch schon zuvor im benediktinischen Leben. Die Regel des Benedikt aus dem 6. JH enthält im Prolog die berühmten Eingangsworte „Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters“.
Anders lauten die Übersetzungen des lateinischen Urtextes in den ältesten Schweizer Handschriften der Regula Benedikti. Sie nutzen die Anrede „liebes Kind“ („liebs chint“) und damit eine gechlechtergerechte Formulierung (Stiftsbibliothek St. Gallen Codices 914 und 916 (9. Jh.), Stiftsbibliothek Engelberg Codex 72 (13. Jh., hier abgebildet) und Codex 301 (15. Jh.)). Diese Anrede spricht damit nicht nur die Mönche, sondern auch die Nonnen an, die etwa 2/3 der benediktinischen Bewegung ausmachen. Und das schon seit dem 9. Jahrhundert.