Am 17.9.2020 veröffentlichte domradio.de in Köln ein Interview mit dem Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki. Darin sagte er zur Diskussion um die Frauenweihe: „…ich kann sie (die Diskussion) nicht so behandeln als sei die Frage offen. Dann findet die Diskussion außerhalb der Lehre der Kirche statt.“

Was bedeutet „ausserhalb der Lehre“? Meint es rein beschreibend, dass die Befürworter der Frauenweihe eine von der Lehre abweichende Meinung haben? Das wäre trivial. Also muss mehr dahinter stehen, vielleicht ein normativer Impetus? Dann enthielte das Woelki-Wort ein Verdikt, das etwas abschneiden möchte, nämlich die Diskussion. Wer ausserhalb der Lehre steht, steht ausserhalb der Kirche. Diese Interpretation würde zu den vorherigen Äusserungen des Kardinals passen.

Was hätte dies zur Konsequenz? Jeder der nicht die bestehende Lehre, sondern eine mögliche zukünftige Lehre der Kirche thematisiert, wird bestenfalls nicht beachtet. Vielleicht aber auch mundtot gemacht oder zensiert. Das wäre die schmerzhafte individuelle Konsequenz – für jeden Befürworter der Frauenweihe und anderer umfassender Reformen.

Aber es gäbe auch eine Konsequenz für die Kirche und zwar eine bittere: In der langen Geschichte der Kirche hat sich ihre Lehre ständig fortentwickelt, hat auf die Zeichen der Zeit reagiert, stand nicht still. Sie ist bis heute dynamisch und nicht statisch. Nicht primär weil das Lehramt sich selbst korrigierte, sondern weil es von aussen dazu angestossen wurde. Durch abweichende Meinungen, die einmal „ausserhalb der Lehre“ standen. Diese sollen zukünftig unterbleiben oder unbeachtet bleiben.

Folgte man Kardinal Woelki, so würde nach 2000 Jahren kirchlicher Fortentwicklung – mit zum Teil schmerzhaften Reformen – die aktuelle Lehre petrifiziert werden und auf Dauer Stand der Dinge bleiben. Die Lehre verharrt im status quo 2020 und die Welt dreht sich weiter?

Das wäre absurd. Das „lebendige Lehramt“, auf das die Kirche selbst im konservativen Schreiben Ordinatio sacerdotalis stolz verweist, wäre tot, bewegungslos. Aus Lehre würde Leere. Kirche und Welt würden sich voneinander entfernen und entfremden. Letztlich würde die Kirche aus der Welt fallen, ja aus ihr verschwinden. Kaum ein teuflischerer Plan ist vorstellbar, um die Kirche von innen her zu zerstören.

Aber so wird es nicht kommen. Die Kraft des heiligen Geistes zeigt Wirkung. Die zunehmende Welle der Reformwilligen steuert das Schiff der Kirche engagiert in die Zukunft. Sie verstehen Christus und folgen ihm. Der Kardinal mag weiter gegen den anschwellenden Strom der Erneuerung schwimmen. Aber er wird sich dabei immer mehr verausgaben. Am Ende wird er völlig erschöpft sein und in den Fluten untergehen. Zurück wird nur die Erinnerung bleiben an eine – trotz grosser Verdienste – tragische Figur des deutschen Katholizismus: Einer, der sich auf den Pastoralen Zukunftsweg machte, aber sich der Zukunft verweigerte. Wir sind die Zeugen – nos sumus testes.

Wer – wie die Mitarbeiter internationaler kirchlicher Hilfswerke – die Kirche in anderen Ländern bereist, kennt diese Stimmen. Sie wünschen, dass die fortdauernde Diskriminierung der Frauen innerhalb ihrer katholischen Kirche endlich beendet wird. Die Reformhoffnungen richten sich teilweise auf kleine Schritte, teilweise auf den grossen Wurf: die Einführung des Frauenpriestertums in der katholischen Kirche. Sehr oft sind es nicht nur einfache Kirchenmitglieder, sondern engagierte Ordensangehörige und Priester, die sich dem Reisenden – teilweise vertraulich – mitteilen. Das Spektrum der Regionen ist breit: Indien, Asien, Südamerika, ja auch Osteuropa. Es sind weit mehr Aktive und kirchliche Amtsträger, als öffentlich bekannt wird. Sie stammen gerade auch aus Ländern, in denen die gesellschaftliche Gleichberechtigung der Frauen nicht so weit entwickelt ist wie in Europa. In ihnen sind Frauen häufig immer noch Menschen zweiter Klasse.

Vielfach spielt es dabei eine Rolle, dass man aus Deutschland kommt. Aus einem Land, dessen Kirche als Vorreiter für innerkirchliche Gerechtigkeit angesehen wird. Dies gilt insbesondere, nachdem in Deutschland der Synodale Weg begonnen hat. Ihm kommt daher nicht nur Bedeutung und Verantwortung für die deutsche Kirche, sondern auch für die Weltkirche zu. Viele Hoffnungen in anderen Weltregionen richten sich auf den deutschen Reformprozess. Diese dürfen durch die Beschlüsse des Synodalen Weges nicht enttäuscht werden. Das mutige Einfordern von grundlegenden kirchlichen Reformen in der Frauenfrage durch die Katholiken in Deutschland ist daher auch ein Dienst an der Weltkirche und an den benachteiligten Frauen in vielen Ländern.