Der Reduktionismus gilt traditionell in der katholischen Kirche als eine schwere intellektuelle Verfehlung. Er wird immer wieder Gegnern kirchlicher Positionen vorgeworfen.
Auch Papst Franziskus erhebt im nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia vom Februar 2020 gegenüber den Befürwortern der Frauenweihe diesen Vorwurf. Er warnt davor, das Verständnis von Kirche auf die strukturelle Frage der Priesterweihe zu reduzieren. Dies sei ein unzulässiger Reduktionismus.
Bei aller Wertschätzung für das mutige Engagement von Papst Franziskus für die notwendige Öffnung der Kirche: Bei seiner Argumentation unterlaufen ihm zwei gravierende Fehler. Zum einen ist seine Kritik unzutreffend und läuft daher ins Leere. Zum anderen tut der Papst selbst das, was er anderen vorwirft, er denkt reduktionistisch.
Die unzutreffende Kritik des Papstes
Unzutreffend ist der päpstliche Vorwurf, die Befürworter der Frauenweihe würden die Bedeutung der Kirche auf funktionale Strukturen reduzieren.
Gerade das tun sie nämlich nicht. Sie wollen die Talente und Charismen der Frauen auch im Priesteramt zur Entfaltung bringen. Wenn Frauen nicht nur ihre angestammten Rollen ausüben können, sondern zukünftig – wie Männer – auch als Priester wirken könnten, wäre dies keine „Verarmung ihres Beitrages“, wie Franziskus meint (QA Nr. 100). Es wäre – was der Papst nicht erkennt – eine Bereicherung.
Mit Frauen im Priesteramt würde sich „die Kraft und die Gabe der Frauen“ (QA Nr. 99) erst voll entfalten können. Gerade auch auf Feldern, die ihnen bisher in der katholischen Kirche verschlossen waren. Vermutlich könnte damit sogar der vom Papst selbst angeprangerte Klerikalismus der Männer wirksam vermindert werden.
Diese Sicht auf das Priesteramt ist kein Reduktionismus, sondern das Gegenteil davon. Das Priesteramt wird gerade nicht auf eine funktionale Struktur reduziert, sondern mit den – bisher fehlenden – Gaben der Frauen gefüllt.
Der Reduktionismus des Papstes
Aber die Kritik des Papstes geht nicht nur fehl, sondern fällt auch auf ihn selbst zurück. Er genügt seinen eigenen Anforderungen nicht. Er denkt selbst reduktionistisch, wie folgende Überlegungen zeigen.
Nach Auffassung Papstes sei das Priesteramt gar nicht nötig, um die Potentiale der Frauen zu nutzen. Diese könnten ihr Potential auch ausserhalb des Priestertums voll zur Geltung bringen, sogar besser (ohne „Verarmung ihres Beitrages“). Sie benötigten das Priesteramt nicht, um ihre Gaben für die Kirche nutzbar zu machen. Was verbleibt dann noch vom Priesteramt, wenn es ohne geht? Folgte man dem Papst, verbliebe nur noch ein leerer Titel, quasi ein schmückender Dienstgrad. Damit reduziert der Papst das Priesteramt auf eine leere Struktur. Und diese verweigert er den Frauen.
Die Argumentation des Papstes verdeutlicht, dass er selbst sein „Verständnis von Kirche auf funktionale Strukturen reduziert“ (QA Nr. 100). Er verengt – entgegen seinem eigenen Anspruch – seinen Blick auf diese Strukturen. Er wirft anderen das vor, was er selbst tut: reduktionistisches Denken.
Der Papst befindet sich hier natürlich in einem argumentativen Dilemma: Entweder reduziert er das Priesteramt auf eine Struktur, die der Gaben aller Gläubigen nicht bedarf. Dann denkt er reduktionistisch. Oder er gesteht zu, dass die Gaben im Priesteramt wertvoll sind. Dann diskriminiert er diejenigen, die er davon ausschliesst.
Reduktionismus ist der päpstliche Frauenausschluss auch im unmittelbaren Sinn des Wortes. Indem die Kirche Frauen von der Nachfolge Christi pauschal ausschliesst, reduziert sie von vornherein die Zahl der Talente für die apostolische Nachfolge Christi um 50%. Damit behindert die Kirche die Umsetzung von Gottes Heilsplan. Besonders schmerzlich dabei ist: Christus hat alles – nämlich sein Leben – gegeben. Die Kirche hingegen tritt beim Priestertum nur mit halbem Potential für den Glauben ein.