Den Befürwortern der Frauenweihe wird häufig vorgeworfen, dass dieses Thema nur eine Strukturfrage sei und die Diskussion somit für eine echte Erneuerung der Kirche zu kurz greife. Und den Frauen wird vorgeworfen, dass es ihnen nur um die Macht ginge.

Damit versucht die Kirche, die Frauen dadurch zu diskreditieren, dass sie ihnen soziale Motive (Machtstreben) unterstellt anstelle von religiösen Motiven (Gott dienen). Dies ist ein altbekannter und frauenfeindlicher Versuch, Geschlechterdiskriminierung zu rechtfertigen und aufrecht zu erhalten.

Interessanterweise wird der Vorwurf häufig von denjenigen erhoben, die selbst die Struktur der Kirche ausmachen. Es scheint fast so, als dass sie damit eine zentrale Kategorie ihres eigenen Denkens ungewollt auf die Befürworter der Frauenweihe projizieren, ihre Machtorientierung. Denn Machtfragen sind Strukturfragen und umgekehrt.

Aber sie irren damit sehr. Es geht den Befürwortern der Frauenweihe nicht vorrangig um Macht und Strukturen, sondern um einen zutiefst jesuanisches Motiv: Es geht schlicht um Gerechtigkeit. Gerechtigkeit aber ist keine Strukturfrage. Wer Gerechtigkeit für eine Strukturfrage hält, hat Jesus nicht verstanden.

Jesus unter den Schriftgelehrten, Kacheln, Portugal

Immerhin thematisiert der Vatikan mittlerweile, dass Frauen ihren Ausschluss von der (Priester-) Weihe als ungerecht empfinden. Damit sieht er Diskussions- und Handlungsbedarf, der beispielsweise zu Einräumung von Führungspositionen führt. Doch dieses „Zugeständnis“ beinhaltet zugleich einen paternalistischen Gestus: Die Ungerechtigkeit wird von den Frauen nur empfunden (sie sind ja emotionale Wesen); Männer aber wissen es besser und stellen objektiv (ohne Emotionen) fest: Es gibt sie nicht.

Aber das stimmt nicht. Wer einen Menschen aufgrund eines gruppenbezogenen Merkmals (Geschlecht), nicht aufgrund eines individuellen Merkmals, anders behandelt und dadurch benachteiligt (hier: nicht zur Weihe zulässt), diskriminiert ihn. Dies ist eine Menschenrechtsverletzung; sie wird täglich und systematisch durch die Kirche begangen. Wie in den Zeiten der Sklaverei, die von der Kirche gerechtfertigt und praktiziert wurde.

Die Diskriminierung der Frauen bildet nicht nur für die betroffenen Frauen eine schmerzhafte Gerechtigkeitslücke in unserer Kirche. Solange sie besteht, kann auch die Glaubenskrise nicht geheilt werden, sondern wird sich verstärken. Denn ohne innere Gerechtigkeit fehlt der Kirche das belastbare Fundament, ihre Glaubwürdigkeit. Sie wird das – in vielen Ländern – verlorene Vertrauen nicht zurück gewinnen können. Und in den übrigen Ländern wird sie es – mit zunehmender Bildung – verlieren. An der Frauenfrage, die eigentlich eine Männerfrage ist, wird sich die Zukunft der Kirche entscheiden.

Somit ist jeder Versuch einer Erneuerung durch Evangelisierung auf Sand gebaut. Er ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, die Kräfte sind sinnlos vertan. Denn es fehlt am Evangelium, was „gute Botschaft“ bedeutet. Ungerechtigkeit ist eine schlechte Botschaft, für die betroffenen Frauen angesichts ihrer schmerzhaften Zurückweisung und Diskriminierung möglicherweise eine Schreckensbotschaft.