Unsere Zeit ist geprägt von der Suche nach einem Weg in die Zukunft. Gerade auch in der Kirche. Aber ihre Hirten stehen in diesen stürmischen Zeiten teilweise ratlos am Rande der Herde.
Ihr Selbstverständnis ist zwar: Der Hirte geht voran. Aber entspricht das dem biblischen Bild des guten Hirten? Papst Franziskus scheint dies jedenfalls anders zu sehen (Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium vom 24.11.2013 Nr. 31). Nach seiner Auffassung folgt ein guter Hirte seiner Herde mal am Ende des Zuges, mal hält er sich mitten in der Herde auf. Ein guter Hirte weiss, wann er voranzugehen hat und wann er dies nicht zu tun hat. Dann lässt er die Herde selbst ihren Weg gehen und finden.
Dies erfordert vom guter Hirten Demut, um dem Weiterziehen der Herde nicht im Wege stehen. Wer die Schafe als diejenigen sieht, die stets gefügig dem Hirten zu folgen haben, hat ein zweifelhaftes Amtsverständnis. Leider erleben wir dieses heute bei einigen Bischöfen, die den Synodalen Weg wegen der Laienbeteiligung grundsätzlich kritisieren und auf die Hierarchie pochen. Dieses Hirtenbild stimmt mit demjenigen des Papstes und der Bibel nicht überein.
Dominus pascit, lautet es im Psalm 22 (23) Vers 1 der lateinischen Vulgata, non regit. Er weidet die Herde, er regiert sie nicht. Das entspricht genau der Wortwahl der griechischen Septuaginta: ποιμαίνει. Dies bedeutet, das der gute Hirte sich nach den Bedürfnissen der Herde richtet. Ihr soll es an nichts mangeln. Dazu gehört auch die Unterweisung der Unkundigen. Soweit sie aufgrund ihrer Unkundigkeit bedürftig sind. Denn der gute Hirte handelt rein altruistisch. Er herrscht nicht im eigenen Interesse.
Dies gilt um so mehr, wenn man die Zeichen der Zeit richtig liesst. Früher mag der unbedingte Führungsanspruch der Hirten durch ihren Bildungsvorsprung gerechtfertigt gewesen sein. Wer sonst konnte das Wort Gottes lesen und verstehen. Heute hat die Herde diesbezüglich gleichgezogen. Es gibt kein Bildungsdefizit der Laien gegenüber dem Klerus und auch den Bischöfen mehr.
Im Gegenteil, heute hat sich das Bildungsgefälle umgekehrt. Die Laien sind dem Klerus mittlerweile bildungsmässig überlegen. Der Klerus fällt ihnen gegenüber ab. Schliesslich hat er die Hälfte seiner Talente vergraben. Er verzichtet auf dieses Potential, weil er die Frauen ausgeschlossen hat. Unzureichendes Mittelmass ist die Folge dieser 100-prozentigen Männerquote, auch im Episkopat. Das führt spürbar zum Versagen der Hirten bei Antworten auf drängende Fragen. Wir erleben es immer wieder schmerzlich, bis hinauf nach Rom.
Daher gilt: Da die Hirten ratlos am Rande stehen, muss die Herde jetzt vorangehen. Es geht um die Zukunft der Kirche, nicht der Hirten.