Den Aufschlag machte Anne Soupa, die sich im März 2020 als Erzbischöfin von Lyon beworben hat (s. Blogbeitrag: Erste Frauenbewerbung um katholisches Bischofsamt). Am 22.7.2020 haben sich demonstrativ weitere Frauen der Initiative Toutes apôtres! (Alle Apostel!) auf Weiheämter der katholischen Kirche in Frankreich beworben. Das Bewerbungs-Spektrum reicht vom Diakonat bis zum Episcopat (Bischofsamt).

In Frankreich erzielte die Initiative eine überaus große Öffentlichkeitswirkung. Sie veranlasste den apostolischen Nuntius in Frankreich, Erzbischof Celestino Migliore, 7 von ihnen zu Einzelgesprächen einzuladen. Die etwa einstündigen Gespräche haben nun bis zum 2.10.2020 stattgefunden, offenbar in freundlicher Atmosphäre.

Der Nuntius habe sie höflich angehört, war die anschliessende Reaktion der Bewerberinnen. Die Theologie-Doktorandin Sylvaine Landrivon, eine Bewerberin um das Bischofsamt, berichtete von einem „wohlwollenden Zuhören“ und vom „Einfühlungsvermögen“ Migliores. Aber er habe betont, dass eine „Klerikalisierung von Frauen nicht die Lösung“ sei. Jedoch habe er selbst keine „Lösungen für den Kampf gegen den Klerikalismus“ skizziert. Eine weitere Reaktion auf die Bewerbungen ist bisher nicht bekannt geworden.

Am 17.9.2020 veröffentlichte domradio.de in Köln ein Interview mit dem Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki. Darin sagte er zur Diskussion um die Frauenweihe: „…ich kann sie (die Diskussion) nicht so behandeln als sei die Frage offen. Dann findet die Diskussion außerhalb der Lehre der Kirche statt.“

Was bedeutet „ausserhalb der Lehre“? Meint es rein beschreibend, dass die Befürworter der Frauenweihe eine von der Lehre abweichende Meinung haben? Das wäre trivial. Also muss mehr dahinter stehen, vielleicht ein normativer Impetus? Dann enthielte das Woelki-Wort ein Verdikt, das etwas abschneiden möchte, nämlich die Diskussion. Wer ausserhalb der Lehre steht, steht ausserhalb der Kirche. Diese Interpretation würde zu den vorherigen Äusserungen des Kardinals passen.

Was hätte dies zur Konsequenz? Jeder der nicht die bestehende Lehre, sondern eine mögliche zukünftige Lehre der Kirche thematisiert, wird bestenfalls nicht beachtet. Vielleicht aber auch mundtot gemacht oder zensiert. Das wäre die schmerzhafte individuelle Konsequenz – für jeden Befürworter der Frauenweihe und anderer umfassender Reformen.

Aber es gäbe auch eine Konsequenz für die Kirche und zwar eine bittere: In der langen Geschichte der Kirche hat sich ihre Lehre ständig fortentwickelt, hat auf die Zeichen der Zeit reagiert, stand nicht still. Sie ist bis heute dynamisch und nicht statisch. Nicht primär weil das Lehramt sich selbst korrigierte, sondern weil es von aussen dazu angestossen wurde. Durch abweichende Meinungen, die einmal „ausserhalb der Lehre“ standen. Diese sollen zukünftig unterbleiben oder unbeachtet bleiben.

Folgte man Kardinal Woelki, so würde nach 2000 Jahren kirchlicher Fortentwicklung – mit zum Teil schmerzhaften Reformen – die aktuelle Lehre petrifiziert werden und auf Dauer Stand der Dinge bleiben. Die Lehre verharrt im status quo 2020 und die Welt dreht sich weiter?

Das wäre absurd. Das „lebendige Lehramt“, auf das die Kirche selbst im konservativen Schreiben Ordinatio sacerdotalis stolz verweist, wäre tot, bewegungslos. Aus Lehre würde Leere. Kirche und Welt würden sich voneinander entfernen und entfremden. Letztlich würde die Kirche aus der Welt fallen, ja aus ihr verschwinden. Kaum ein teuflischerer Plan ist vorstellbar, um die Kirche von innen her zu zerstören.

Aber so wird es nicht kommen. Die Kraft des heiligen Geistes zeigt Wirkung. Die zunehmende Welle der Reformwilligen steuert das Schiff der Kirche engagiert in die Zukunft. Sie verstehen Christus und folgen ihm. Der Kardinal mag weiter gegen den anschwellenden Strom der Erneuerung schwimmen. Aber er wird sich dabei immer mehr verausgaben. Am Ende wird er völlig erschöpft sein und in den Fluten untergehen. Zurück wird nur die Erinnerung bleiben an eine – trotz grosser Verdienste – tragische Figur des deutschen Katholizismus: Einer, der sich auf den Pastoralen Zukunftsweg machte, aber sich der Zukunft verweigerte. Wir sind die Zeugen – nos sumus testes.

Wer – wie die Mitarbeiter internationaler kirchlicher Hilfswerke – die Kirche in anderen Ländern bereist, kennt diese Stimmen. Sie wünschen, dass die fortdauernde Diskriminierung der Frauen innerhalb ihrer katholischen Kirche endlich beendet wird. Die Reformhoffnungen richten sich teilweise auf kleine Schritte, teilweise auf den grossen Wurf: die Einführung des Frauenpriestertums in der katholischen Kirche. Sehr oft sind es nicht nur einfache Kirchenmitglieder, sondern engagierte Ordensangehörige und Priester, die sich dem Reisenden – teilweise vertraulich – mitteilen. Das Spektrum der Regionen ist breit: Indien, Asien, Südamerika, ja auch Osteuropa. Es sind weit mehr Aktive und kirchliche Amtsträger, als öffentlich bekannt wird. Sie stammen gerade auch aus Ländern, in denen die gesellschaftliche Gleichberechtigung der Frauen nicht so weit entwickelt ist wie in Europa. In ihnen sind Frauen häufig immer noch Menschen zweiter Klasse.

Vielfach spielt es dabei eine Rolle, dass man aus Deutschland kommt. Aus einem Land, dessen Kirche als Vorreiter für innerkirchliche Gerechtigkeit angesehen wird. Dies gilt insbesondere, nachdem in Deutschland der Synodale Weg begonnen hat. Ihm kommt daher nicht nur Bedeutung und Verantwortung für die deutsche Kirche, sondern auch für die Weltkirche zu. Viele Hoffnungen in anderen Weltregionen richten sich auf den deutschen Reformprozess. Diese dürfen durch die Beschlüsse des Synodalen Weges nicht enttäuscht werden. Das mutige Einfordern von grundlegenden kirchlichen Reformen in der Frauenfrage durch die Katholiken in Deutschland ist daher auch ein Dienst an der Weltkirche und an den benachteiligten Frauen in vielen Ländern.

Auch hinter Klostermauern ist die Diskriminierung wegen des Geschlechts ein aktuelles Thema. Leider kaum in Männerklöstern, aber zunehmend in Frauenklöstern. So fordern die Benediktinerinnen von Fahr, des 1130 gegründeten Frauenkonvents des Männerklosters Einsiedeln in der Schweiz, tiefgreifende kirchliche Reformen. Selbstbewusst rufen sie seit 2019 zum „Gebet am Donnerstag“ auf, bei dem wöchentlich mit deutlichen Worten für die Gleichstellung von Frauen in der Kirche gebetet wird.

Gechlechtergerechte Texte gab es aber auch schon zuvor im benediktinischen Leben. Die Regel des Benedikt aus dem 6. JH enthält im Prolog die berühmten Eingangsworte „Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters“.

Anders lauten die Übersetzungen des lateinischen Urtextes in den ältesten Schweizer Handschriften der Regula Benedikti. Sie nutzen die Anrede „liebes Kind“ („liebs chint“) und damit eine gechlechtergerechte Formulierung (Stiftsbibliothek St. Gallen Codices 914 und 916 (9. Jh.), Stiftsbibliothek Engelberg Codex 72 (13. Jh., hier abgebildet) und Codex 301 (15. Jh.)). Diese Anrede spricht damit nicht nur die Mönche, sondern auch die Nonnen an, die etwa 2/3 der benediktinischen Bewegung ausmachen. Und das schon seit dem 9. Jahrhundert.

So gut wie jeder Taxifahrer in Köln kennt sie oder weiss zumindest, wo sie steht: die schwarze Muttergottes. Viele Menschen mit schwarzer Hautfarbe, vielfach südamerikanische Touristen oder amerikanische Soldaten, lassen sich vom Bahnhof zu ihr bringen. Nur um diese „Mutter der Barmherzigkeit“ zu besuchen. Der Taxifahrer fährt dann zu einer der wenigen barocken Kirchen in Köln, zu St. Maria in der Kupfergasse. Dort steht in der sog. Loretokapelle Maria mit dem Jesuskind im Arm, beide mit eindeutig schwarzer Hautfarbe.

Die schwarze Mariendarstellung von ca. 1630 wurde in der 1675 geweihten Loretokapelle aufgestellt. Sie erfreute sich zunehmender und überregionaler Verehrung durch Wallfahrer. So wurde etwa 40 Jahre später eine barocke Kirche um diese Kapelle herum gebaut. Bis heute ist der Zuspruch für das Gnadenbild ungebrochen: Wöchentlich werden 5000 Opferkerzen zu ihren Füssen aufgestellt.


Nicht nur in Deutschland ist das Engagement für die Frauenweihe gross und weiter zunehmend. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es entsprechende Initiativen, beispielsweise in Frankreich. Dort ist seit dem missbrauchsbedingen Rücktritt von Kardinal Philippe Barbarin im März 2020 der Erzbischofsitz in Lyon unbesetzt. Seit 25.5.2020 bewirbt sich dort eine Frau als neue Erzbischöfin, die katholische Theologin Anne Soupa.

Sie ist als Bibelforscherin und Journalistin bekannt und im französischen Gegenstück zu Maria 2.0 als Präsidenten aktiv, dem Comité de la Jupe, (https://www.comitedelajupe.fr/ – Jupe ist französisch für Rock). Die Bewerbung wird durch eine online-Petition an Papst Franziskus unterstützt (https://www.pourannesoupa.fr/ ).

In der Begründung führt Anne Soupa u.a. aus, dass der Ausschluss der Hälfte der Menschen von der Weihe (Ordination) gegen die Botschaft von Jesus Christus verstosse. Zugleich sei der Frauenausschluss für die Kirche schädlich. Sie weist darauf hin, dass alle 4 letzten Amtsinhaber ihre Hauptaufgabe verfehlt hätten: Anstelle die Gemeinschaft der Gläubigen zu schützen, hätten sie „die Wölfe in die Herde“ eindringen lassen. Diese „Raubtiere“ hätten dann den Kleinsten nachgestellt.

Sie ist sich bewusst, dass die Bewerbung möglicherweise gegen dass Kirchenrecht verstösst. Aber sie weist darauf hin, dass die Bischöfe in der Anfangszeit der Kirche ebenso wie die 12 Apostel eine Leitungsfunktion innegehabt hätten und keine Priester gewesen seien. Und Papst Franziskus habe deutlich gemacht, dass diese Funktionen unterschieden werden müssten, um mehr Platz für Frauen in der Kirche zu machen. Dieser Ruf des Papstes sei seit 7 Jahren ungehört geblieben.

Wer Wind sät, wird Sturm ernten (s. Hosea Kapitel 8, Vers 7): Die Ausführungen von Papst Franziskus zur Frauenweihe in Querida Amazonia (Nr. 100-103) vom Februar 2020 werden die Empörung gegen die innerkirchliche Gerechtigkeitslücke weiter anfachen. Seine bevormundende, diskriminierende Begründung des Frauenweiheausschlusses fordert Widerspruch heraus (s. Querida Amazonia I: Die Klerikalisierung der Frauen?). Es ist damit zu rechnen, dass noch mehr Christen mit noch mehr Aktionen gegen die fortdauernde Ungerechtigkeit in der römischen Kirche angehen werden. Denn die Katholiken wissen aus der Kirchengeschichte: Angesichts fehlender struktureller Möglichkeiten zur Partizipation führt nur anhaltender Widerspruch zu den notwendigen Reformen.

Und sie werden Franziskus ernst nehmen, der forderte: „Man muss sich empören, … so wie Jesus zürnte, so wie Gott angesichts der Ungerechtigkeit in Zorn entbrannte“ (QA Nr.15). So wird Franziskus unfreiwillig zum Verstärker von Maria 2.0 und vielen anderen Bewegungen, die für die Frauenweihe eintreten.

Der Reduktionismus gilt traditionell in der katholischen Kirche als eine schwere intellektuelle Verfehlung. Er wird immer wieder Gegnern kirchlicher Positionen vorgeworfen.

Auch Papst Franziskus erhebt im nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia vom Februar 2020 gegenüber den Befürwortern der Frauenweihe diesen Vorwurf. Er warnt davor, das Verständnis von Kirche auf die strukturelle Frage der Priesterweihe zu reduzieren. Dies sei ein unzulässiger Reduktionismus.

Bei aller Wertschätzung für das mutige Engagement von Papst Franziskus für die notwendige Öffnung der Kirche: Bei seiner Argumentation unterlaufen ihm zwei gravierende Fehler. Zum einen ist seine Kritik unzutreffend und läuft daher ins Leere. Zum anderen tut der Papst selbst das, was er anderen vorwirft, er denkt reduktionistisch.

Die unzutreffende Kritik des Papstes

Unzutreffend ist der päpstliche Vorwurf, die Befürworter der Frauenweihe würden die Bedeutung der Kirche auf funktionale Strukturen reduzieren.

Gerade das tun sie nämlich nicht. Sie wollen die Talente und Charismen der Frauen auch im Priesteramt zur Entfaltung bringen. Wenn Frauen nicht nur ihre angestammten Rollen ausüben können, sondern zukünftig – wie Männer – auch als Priester wirken könnten, wäre dies keine „Verarmung ihres Beitrages“, wie Franziskus meint (QA Nr. 100). Es wäre – was der Papst nicht erkennt – eine Bereicherung.

Mit Frauen im Priesteramt würde sich „die Kraft und die Gabe der Frauen“ (QA Nr. 99) erst voll entfalten können. Gerade auch auf Feldern, die ihnen bisher in der katholischen Kirche verschlossen waren. Vermutlich könnte damit sogar der vom Papst selbst angeprangerte Klerikalismus der Männer wirksam vermindert werden.

Diese Sicht auf das Priesteramt ist kein Reduktionismus, sondern das Gegenteil davon. Das Priesteramt wird gerade nicht auf eine funktionale Struktur reduziert, sondern mit den – bisher fehlenden – Gaben der Frauen gefüllt.

Der Reduktionismus des Papstes

Aber die Kritik des Papstes geht nicht nur fehl, sondern fällt auch auf ihn selbst zurück. Er genügt seinen eigenen Anforderungen nicht. Er denkt selbst reduktionistisch, wie folgende Überlegungen zeigen.

Nach Auffassung Papstes sei das Priesteramt gar nicht nötig, um die Potentiale der Frauen zu nutzen. Diese könnten ihr Potential auch ausserhalb des Priestertums voll zur Geltung bringen, sogar besser (ohne „Verarmung ihres Beitrages“). Sie benötigten das Priesteramt nicht, um ihre Gaben für die Kirche nutzbar zu machen. Was verbleibt dann noch vom Priesteramt, wenn es ohne geht? Folgte man dem Papst, verbliebe nur noch ein leerer Titel, quasi ein schmückender Dienstgrad. Damit reduziert der Papst das Priesteramt auf eine leere Struktur. Und diese verweigert er den Frauen.

Die Argumentation des Papstes verdeutlicht, dass er selbst sein „Verständnis von Kirche auf funktionale Strukturen reduziert“ (QA Nr. 100). Er verengt – entgegen seinem eigenen Anspruch – seinen Blick auf diese Strukturen. Er wirft anderen das vor, was er selbst tut: reduktionistisches Denken.

Der Papst befindet sich hier natürlich in einem argumentativen Dilemma: Entweder reduziert er das Priesteramt auf eine Struktur, die der Gaben aller Gläubigen nicht bedarf. Dann denkt er reduktionistisch. Oder er gesteht zu, dass die Gaben im Priesteramt wertvoll sind. Dann diskriminiert er diejenigen, die er davon ausschliesst.

Reduktionismus ist der päpstliche Frauenausschluss auch im unmittelbaren Sinn des Wortes. Indem die Kirche Frauen von der Nachfolge Christi pauschal ausschliesst, reduziert sie von vornherein die Zahl der Talente für die apostolische Nachfolge Christi um 50%. Damit behindert die Kirche die Umsetzung von Gottes Heilsplan. Besonders schmerzlich dabei ist: Christus hat alles – nämlich sein Leben – gegeben. Die Kirche hingegen tritt beim Priestertum nur mit halbem Potential für den Glauben ein.

Papst Franziskus stellt seine Ausführungen zur Abweisung der Frauenweihe in seinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Querida Amazonia von 2020 unter die Überschrift „Die Kraft und die Gabe der Frauen“. Er reagierte damit auf die 2019 auf der Amazonas-Synode erhobene Forderung nach der Frauenweihe für den Diakonat, die im Abschlussdokument der Synode enthalten war.

Seine Argumente darin sind nicht überzeugend. Und sie lassen – trotz lobender Eingangsworte – Respekt und Empathie gegenüber Frauen vermissen. Schauen wir uns den Schwerpunkt seiner Ausführungen an. Papst Franziskus befürchtet, dass die Zulassung der Frauen zur Weihe „auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken würde“ (QA Nr. 100). Das verblüfft. Was meint der Papst hier mit Klerikalisierung?

Zum einen könnte er damit den Wechsel vom Laien zum Kleriker durch die Weihe meinen. Das wäre eine wertneutrale Beschreibung, wonach ein Mensch, der geweiht wird, klerikalisiert wird. In Zeiten des Priestermangels ist die Klerikalisierung dann etwas Gutes, da sie den Mangel mindert. Es sei denn, man sieht – anders als der Papst – das Priesteramt als solches kritisch und fordert seine Abschaffung oder zumindest mehr Einfluss der Laien. Aber so trivial scheint Papst Franziskus das Wort nicht zu gebrauchen.

Zum anderen könnte der Papst eine Wertung beabsichtigt haben. Denn es scheint etwas negatives in der Formulierung mitzuschwingen, ein Bedauern: Das Priesteramt tut den Frauen nicht gut. Er spricht ja auch von einer „Verarmung ihres Beitrages“ als Folge ihrer Klerikalisierung. Damit würde dieser Begriff in die Nähe des eindeutig pejorativen Begriffs Klerikalismus rücken. Dies erscheint viel eher die richtige Deutung der päpstlichen Diktion zu sein.

Das Problem mit den Frauen

Aber wie kann es sein, dass die Kombination aus Frauen und Weihe die Klerikalisierung – also die Entstehung einer Art Klerikalismus – begünstigt? Und damit einen Missstand, den Franziskus selbst als grosses Übel und unter anderem als Ursache für das kirchliche Missbrauchsgeschehen ausgemacht hat?

Sucht man darauf eine Antwort, so könnte es entweder am Priesteramt liegen oder an den Frauen. Dass es am Priesteramt liegt, dürfte Franziskus nicht annehmen. Damit würde er dieses selbst als problembringend ansehen. Da ausserdem Männer gleichermassen davon betroffen wären, wenn das Priesteramt als solches nicht gut täte, würde diese Sicht einen Frauenausschluss nicht rechtfertigen. Aber wenn es nicht am Priesteramt liegt, kann es nur an den Frauen liegen.

Damit begibt sich Franziskus auf sehr dünnes Eis. Der gerade auch von Franziskus selbst kritisierte Klerikalismus in der katholischen Kirche ist schliesslich ein reines Männerprodukt. Und nun behauptet der führende Vertreter dieser Männerkirche, dass Frauen diesen Missstand begünstigen? Das ist nicht nachvollziehbar und erscheint abwegig. Das Gegenteil dürfte zutreffend sein: Frauen wirken der (negativen) Klerikalisierung entgegen. Sie sind die Lösung, nicht das Problem.

Die Lösung für die Frauen

Aber folgen wir dem Papst, der die Gefahr der Klerikalisierung der Frauen sieht. Was tut er zum Schutz gegen ihre Deformation durch das Priesteramt mit negativen Folgen für die Kirche? Will er den Frauen beistehen? Dies könnte er tun, indem er vorbeugende Massnahmen zum Schutz der Frauen vor der Klerikalisierung trifft. Oder indem er einzelne Frauen, die davon betroffen sind, individuell unterstützt. Nein, er hilft ihnen nicht, der von ihm beschworenen Gefahr zu entgehen.

Stattdessen macht er es sich leicht und verbannt alle Frauen aus der Risikozone Priesteramt. Er beschneidet pauschal ihre Freiheit und damit ihre Möglichkeit, in selbstbestimmter Form Gott zu dienen. Natürlich nur zu ihrem eigenen Schutz. Eine Bevormundung zum Selbstschutz. Selbst wohlmeinende Menschen werden darin Paternalismus erkennen, eine subtile, aber besonders entwürdigende Form sexueller Diskriminierung. Anders als Männern wird Frauen das Recht verweigert, selbst darüber zu bestimmen, wie sie Christus folgen.

Die paternalistische Diskriminierung ist beileibe kein rein kirchlicher Missstand. Wir kennen die Vorgesetzten, die immer noch Frauen mit der Bemerkung abweisen: „Ihre Verdienste sind so offenkundig und anerkannt, da brauchen Sie die neue Position nicht zur Bestätigung. Oder wollen Sie so machtbesessen werden wie die Männer?“. Aber in der Kirche schmerzt diese Diskriminierung um so mehr. Und gerade angesichts der päpstlichen Wertschätzung der Frauen (QA Nr. 99) werden viele Menschen die Worte von Franziskus als Verhöhnung empfinden. Oder als ein vergiftetes Lob.

Die katholische Kirche leidet zunehmend unter dem Priestermangel. Aber er ist noch grösser, als wir oft denken: Es gibt einen doppelten Priestermangel, einen quantitativen und einen qualitativen. Es fehlen zum einen Menschen, die die Priesterweihe überhaupt empfangen haben. Zum anderen sind diejenigen, die sie empfangen haben, vielfach eher Religionsbeamte als Priester. Diesen fehlt die wichtigste Eigenschaft, die ein Priester als Seelsorger besitzen muss, die Empathie.

Sehr deutlich wurde dies am Missbrauchsskandal und an der Reaktion auf ihn: Die fehlende Empathie bei vielen Geweihten, gerade in Führungspositionen, hat dazu geführt, das aus Tätern Wiederholungstäter werden konnten. Der Missbrauchsskandal ist die deutlichste, aber nicht die einzige Folge des unheilvollen Wirkens von Religionsbeamten in unserer Kirche. Ihr mangelt es daher doppelt an Seelsorgern und Hirten.