Den Befürwortern der Frauenweihe wird häufig vorgeworfen, dass dieses Thema nur eine Strukturfrage sei und die Diskussion somit für eine echte Erneuerung der Kirche zu kurz greife. Und den Frauen wird vorgeworfen, dass es ihnen nur um die Macht ginge.

Damit versucht die Kirche, die Frauen dadurch zu diskreditieren, dass sie ihnen soziale Motive (Machtstreben) unterstellt anstelle von religiösen Motiven (Gott dienen). Dies ist ein altbekannter und frauenfeindlicher Versuch, Geschlechterdiskriminierung zu rechtfertigen und aufrecht zu erhalten.

Interessanterweise wird der Vorwurf häufig von denjenigen erhoben, die selbst die Struktur der Kirche ausmachen. Es scheint fast so, als dass sie damit eine zentrale Kategorie ihres eigenen Denkens ungewollt auf die Befürworter der Frauenweihe projizieren, ihre Machtorientierung. Denn Machtfragen sind Strukturfragen und umgekehrt.

Aber sie irren damit sehr. Es geht den Befürwortern der Frauenweihe nicht vorrangig um Macht und Strukturen, sondern um einen zutiefst jesuanisches Motiv: Es geht schlicht um Gerechtigkeit. Gerechtigkeit aber ist keine Strukturfrage. Wer Gerechtigkeit für eine Strukturfrage hält, hat Jesus nicht verstanden.

Jesus unter den Schriftgelehrten, Kacheln, Portugal

Immerhin thematisiert der Vatikan mittlerweile, dass Frauen ihren Ausschluss von der (Priester-) Weihe als ungerecht empfinden. Damit sieht er Diskussions- und Handlungsbedarf, der beispielsweise zu Einräumung von Führungspositionen führt. Doch dieses „Zugeständnis“ beinhaltet zugleich einen paternalistischen Gestus: Die Ungerechtigkeit wird von den Frauen nur empfunden (sie sind ja emotionale Wesen); Männer aber wissen es besser und stellen objektiv (ohne Emotionen) fest: Es gibt sie nicht.

Aber das stimmt nicht. Wer einen Menschen aufgrund eines gruppenbezogenen Merkmals (Geschlecht), nicht aufgrund eines individuellen Merkmals, anders behandelt und dadurch benachteiligt (hier: nicht zur Weihe zulässt), diskriminiert ihn. Dies ist eine Menschenrechtsverletzung; sie wird täglich und systematisch durch die Kirche begangen. Wie in den Zeiten der Sklaverei, die von der Kirche gerechtfertigt und praktiziert wurde.

Die Diskriminierung der Frauen bildet nicht nur für die betroffenen Frauen eine schmerzhafte Gerechtigkeitslücke in unserer Kirche. Solange sie besteht, kann auch die Glaubenskrise nicht geheilt werden, sondern wird sich verstärken. Denn ohne innere Gerechtigkeit fehlt der Kirche das belastbare Fundament, ihre Glaubwürdigkeit. Sie wird das – in vielen Ländern – verlorene Vertrauen nicht zurück gewinnen können. Und in den übrigen Ländern wird sie es – mit zunehmender Bildung – verlieren. An der Frauenfrage, die eigentlich eine Männerfrage ist, wird sich die Zukunft der Kirche entscheiden.

Somit ist jeder Versuch einer Erneuerung durch Evangelisierung auf Sand gebaut. Er ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, die Kräfte sind sinnlos vertan. Denn es fehlt am Evangelium, was „gute Botschaft“ bedeutet. Ungerechtigkeit ist eine schlechte Botschaft, für die betroffenen Frauen angesichts ihrer schmerzhaften Zurückweisung und Diskriminierung möglicherweise eine Schreckensbotschaft.

Wir trauern um Kardinal Joseph Ratzinger und Papst Benedikt XVI., der heute mit 95 Jahren gestorben ist. Er war ein brillanter Theologe, aber kein guter Papst.

In seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst hat er die Kirche nachhaltig geprägt. Aus dem Elfenbeinturm seiner Gelehrsamkeit hat er sie aber nicht in die Zukunft führen können. Dazu fehlte ihm der positive Realitätsbezug, das Annehmen einer Wirklichkeit im Wandel. Beim Umgang mit Frauen, Homosexuellen und Missbrauchten hat er die Kirche unglaubwürdig gemacht und ihr damit nachhaltig geschadet. Bei den Betroffenen hat er bis heute unglaubliches Leid ausgelöst. Gefangen im Zeitgeist seiner Jugend hat er die Kirche über 30 Jahre lang in eine Sackgasse geführt. Sein grösstes Verdienst als Papst war es, dass er seine eigene Unfähigkeit erkannte, die Kirche mit der heutigen Zeit zu versöhnen, und den Mut aufbrachte, 2013 sein Amt nieder zu legen.

Wie geht es nun weiter? Papst Franziskus hat jetzt mehr Spielraum; ihm wird es beispielsweise leichter fallen, zukünftig ebenfalls sein Amt nieder zu legen. Wenn er einst seinem Nachfolger Platz macht, könnte sich eine der beiden grössten Gefahren für unsere römisch-katholische Kirche realisieren: Ein Pontifikat von Papst Johannes Paul III. oder von Papst Benedikt der XVII. Es möge verhütet werden!

Übrigens ist die Erinnerung an Benedikt XVI. damit verbunden, dass er von „lauen Christen“ sprach. Das sind diejenigen, deren Leben nach seiner Meinung nicht vollkommen auf Christus zentriert ist. Da stellt sich die Frage, wann ist ein Christ lau? Ist es nicht eher derjenige, der Menschen diskriminiert und damit die Menschenrechte verletzt. Ist dieser nicht deswegen lau, weil er nur dem Zeitgeist folgt, anstatt die Botschaft Christi radikal umsetzen, die die Gleichheit aller Menschen (Gal 3,28) aus der göttlichen Menschenwürde ableitet? Ist nicht derjenige lau, der abweichende Meinungen rigider verfolgt als Missbrauchstäter? Ist er es nicht deswegen, weil er sich hinter Tradition und Macht versteckt, anstatt für christliche Werte zu kämpfen?

Wir verabschieden uns heute von einem wortmächtigen Gelehrten, einem schlechten Papst und einem – nach eigenem Massstab – lauen Christen.

Die zeitgleiche Umweltkonferenz COP27 in Ägypten war wirklich enttäuschend, aber nicht der 6-tägige ad limina-Besuch aller deutschen Bischöfe bis zum 18.11.2022 in Rom. Letzterer war wirklich ein grosser Erfolg. Auch wenn dies teilweise anders gesehen wird. Warum ist das so?

Ad limina-Besuch der Deutschen Bischöfe 2022 im Vatikan

1. Erstmals hat eine wichtige nationale Kirche dem Vatikan vor Ort nahezu geschlossen die Stirn geboten. Sie hat den Vatikan in offener Konfrontation zur Überprüfung – sprich Änderung – seiner Lehre u.a. beim Thema Frauenweihe aufgefordert. Anwesend waren alle über 60 deutschen Bischöfe. Nicht Laien wie Vertreter des Zentralkommittees der deutschen Katholiken oder unbotmässige Priester haben hart mit den höchsten römischen Kirchenvertretern diskutiert. Das ist ein kirchenhistorischer Meilenstein. Offen zu Tage tritt damit auch der römische Machtverlust, nachdem dort bisher dekretiert wurde, die Frauenweihe sei kein Thema, die Debatte darüber sei beendet.

2. Der Synodale Weg in Deutschland geht gegen den Willen des Vatikans weiter. Der Machtkampf mit der deutschen Kirche ging verloren, nachdem die deutschen Bischöfe die Aufforderung von Kardinal Ouellet zur Aussetzung (Moratorium) des Synodalen Weges in Deutschland vehement ablehnten. Damit besteht weiterhin die Chance, mit den Beschlüssen des Synodalen Weges in Deutschland im Frühjahr 2023 den vom Vatikan befürchteten weltkirchlichen „Flächenbrand“ zu erzeugen. Auch andere Nationalkirchen könnten sich ermutigt fühlen, die kirchliche Erneuerung durch tiefgreifende Reformen offen zu fordern. Dazu gehört insbesondere, nun auch für die Frauenweihe einzutreten. Die vatikanische Weltsynode wird dieses Anliegen dann 2023-2024 nicht mehr ignorieren können.

Also: Alles läuft nach Plan. Der Weg zum 1. weiblichen Pontifikat mit seinen 5 Etappen geht weiter. Mit der neuerlichen Zuspitzung der Debatte rückt die nächste Etappe – das Kippen der Tradition – näher. Der Widerstand gegen die römische Autorität, die bisher keinen Widerspruch und keine ungewollte Diskussion dulden musste, ist auf höchster Ebene angekommen und unabweisbar präsent. Das zeigt sich auch in der unüblichen Veröffentlichung zweier Präfekten-Reden, denen man die Klage über den Verlust von Macht und Autorität – mithin einer untergegangenen Zeit – deutlich entnehmen kann. Dies ist nicht nur ein Sieg der Meinungsfreiheit, sondern auch Hoffnungszeichen für zukünftige Geschlechtergerechtigkeit.

„Gottes Wort zu verkünden, hängt nicht vom Geschlecht ab“, schloss ein Priester im Oktober 2022 die Sonntagsmesse in einer grossen Kölner Pfarrkirche. In der katholischen Kirche aber doch. Nach dem geltenden Kirchenrecht dürfen Frauen weder das Evangelium verkünden, noch in der heiligen Messe (Eucharestiefeier) die Predigt (Homilie) halten. Predigtverbote gab es im übrigen schon immer. Im alten Rom waren sie Teil der Christenverfolgung. Aber heute muten sie anachronistisch an. Und behindern, ja sabotieren die Verwirklichung von Gottes Heilsplan, indem – biblisch gesprochen – Talente vergraben werden.

Frauenpredigt

Aber seit einiger Zeit ändert sich das. In vielen deutschsprachigen Bistümern sind Frauenpredigten schon heute kirchenrechtswidrige Normalität und werden auch veröffentlicht. Nun werden sie es auch im konservativen Erzbistum Köln. Hier lassen drohende persönliche Konsequenzen noch immer manchen Priester davor zurück schrecken, den Ambo einer Frau für die Predigt zu überlassen. Dies hat sich bei der Vorbereitung der Aktion „Weil wir es können! Pastoral- und Gemeindereferent:innen im Erzbistum Köln predigen“ der Berufsverbände der Gemeinde- und Pastoralreferent:innen im Erzbistum Köln gezeigt. Trotzdem haben gemäss Angabe der Verbände an den beiden letzten Oktober-Wochenenden in 50 Messen Laien im Erzbistum gepredigt, davon 39 mal Frauen (78 %). Daneben gab es etliche weitere Laienpredigten, die nicht im Rahmen der Aktion angekündigt wurden.

Maria als Priesterin

Wer den Gottesdiensten beigewohnt hat, spürte die Selbstverständlichkeit, mit der hier eine neue Tradition gewachsen ist. Die Frauenpredigt war völlig normal und hatte keine Spur eines Aufbegehrens. Die Gemeinde spendete teilweise den hinweisenden priesterlichen Worten offenen Beifall. Während der Gottesdienste fühlte man sich eher an urchristliche Zeiten erinnert, als das Gemeindeleben von Frauen ebenso wie von Männern entsprechend ihren Berufungen geprägt wurde. Und so gilt heute: Wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Frauen predigen. Und demnächst noch mehr…

Vor 60 Jahren wurde am 11. Oktober in Rom das 2. Vatikanische Konzil eröffnet. Es sollte die Kirche in die Gegenwart bringen und ihr damit die Zukunft sichern. Nach anfänglicher Euphorie blieb dies leider ohne Erfolg.

Eröffnung des 2. Vatikanums, Petersplatz in Rom

Frauen waren nicht zugelassen – ausser als Zuhörerinnen in der Endphase. Aber sie haben sich erstmals aktiv und öffentlich gegen ihre Diskriminierung in der katholischen Kirche mit schriftlichen Eingaben gewehrt und die Frauenweihe gefordert.

Sitzung des 2. Vatikanums, Petersdom in Rom

Eine von ihnen war die Theologin Josefa Theresia Münch. Vor der letzten Sitzungsperiode wandte sie sich im Juli 1965 an die deutschsprachigen Bischöfe, die am 2. Vatikanum teilnahmen – ein hellsichtiger Apell, der bis heute ungehört geblieben ist und keines Kommentars bedarf:

Bitte, nehmen Sie die Frauen ernst und für volle Glieder der Kirche, solange es noch Zeit ist, solange sie noch am Gottesdienst teilnehmen! Wenn die Frauen erst einmal die Konsequenz daraus gezogen haben, dass sie in der Kirche dauernd negiert werden, ist es zu spät.

Auch mit 90 Jahren setzt sich die Theologin, Autorin und katholische Priesterin Dr. Ida Raming noch aktiv gegen die Frauendiskriminierung in der katholischen Kirche ein. Am 5. September 2022 hat sie in der Karl-Rahner-Akademie in Köln über ihr ereignisreiches Leben im Kampf für die Frauenweihe berichtet.

Ida Raming (2. von rechts) am 5.9.2022 in der Karl-Rahner-Akademie Köln

Zusammen mit der Vertreterin von Maria 2.0 Rheinland, Maria Mesrian, und Dr. Magnus Striet, Professor für Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., wurde über die Fragwürdigkeit der kirchlichen Argumente gegen die Frauenweihe ebenso diskutiert wie über ein neues Priesterbild. Die Veranstaltung war zugleich eine Hommage an das 20-jährige Priesterjubiläum der Donau Sieben.

Ida Raming erläutert ihre Priesterweihe contra legem

Ida Raming konnte dabei mit einem spannenden Bericht über ihren mutigen Akt des Ungehorsams beeindrucken, als sie sich 2002 zusammen mit 6 anderen Frauen, den Donau Sieben, kirchenrechtswidrig zu katholischen Priesterin weihen liess. Ihre Mitwirkung am 2. Vatikanischen Konzil in den 60er Jahren als junge Theologiestudentin durch schriftliche Eingaben und Gespräche u.a. mit Josef Ratzinger als Theologieprofessor in Münster bezeugten ihr lebenslanges Engagement für Gerechtigkeit in der katholischen Kirche.

Heute vor 20 Jahren wurden 7 Frauen auf der Donau zu römisch-katholischen Priesterinnen geweiht. Als „Donau Sieben“ wurden sie damals weltberühmt. Der Vatikan hat ihre kirchenrechtswidrige Weihe nicht anerkannt und sie exkommuniziert.

Seitdem wurden weitere Frauen zu römisch-katholischen Priesterinnen geweiht, nach 20 Jahren etwa 300 weltweit. Etwa 20 dieser Priesterinnen wurden zu Bischöfinnen geweiht. Sie haben sich weltweit in der Organisation Roman Catholic Women Priests (RCWP) zusammengeschlossen.

Sie alle folgen dem Leitspruch der Bibel „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apostelgeschichte 5, 29), der auch das Grab des Kardinals von Galen in Münster ziert.

Mittlerweile gibt es viele ermutigende Zeichen, dass sich die Zeit der Diskriminierung der Frauen in unserer Kirche durch ihren Ausschluss vom Priesteramt dem Ende zuneigt. Der Synodale Weg in Deutschland, der die gesamte Breite des Kirchenvolkes repräsentiert, sendet dazu eindeutige Signale. Gleiches gilt für das weltweite Interesse an seinen Ergebnissen, das vom Vatikan weitgehend ignoriert wird. Dies zeigt u.a. die grosse Nachfrage nach seinen Dokumenten, die auch in englisch vorliegen, z.T. in italienisch und spanisch.

Vielleicht stimmt es wirklich, dass Papst Franziskus mit dem Einberufen der Weltsynode die „Reset-Taste“ gedrückt hat, wie dies die Kirchenrechtlerin und Beraterin des weltweiten synodalen Prozesses, Myriam Wijlens, sieht.

Wie auch immer, wir danken den Pionierinnen des Frauenpriestertums für ihren grossen Mut vor 20 Jahren und wünschen ihnen noch viele gute Jahre – in vatikanischer Sprache: ad multos annos!

Die Römische Inquisition war fester Bestandteil kirchlicher Machtausübung vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Mit den Inquisitionsverfahren verfolgte und bestrafte die katholische Kirche diejenigen, deren Meinung von der offiziellen Lehrmeinung abwich.

Folter und Todesstrafe wurden im Laufe der Zeit abgeschafft. Die Strafen wurden moderater. Ab dem 19. Jahrhundert besass die Römische Inquisition keine Exekutivmittel mehr und war auf die Macht des Wortes beschränkt.

Jeanne d’Arc in Ketten bei ihrer Befragung im Inquisitionsverfahren, bevor sie 1431 mit dem Tode auf dem Scheiterhaufen bestraft wurde, Gemälde von Paul Delaroche, 1824

Aber in Form der Kongregation für die Glaubenslehre, die 1965 nach dem II. Vaticanum gebildet wurde, übt sie immer noch Macht über „Andersgläubige“ aus. So wurden u.a. den Theologieprofessoren Hans Küng, Eugen Drewermann, Uta Ranke-Heinemann und Hubertus Mynarek die Missio canonica, die Lerherlaubnis entzogen. Die Donau Sieben, die sich kirchenrechtswidrig zu Priesterinnen weihen liessen, wurden 2002 vom Vatikan durch Kardinal Ratzinger exkommuniziert.

Aber nicht nur in Rom, sondern auch in deutschen Bistümern ist der Geist der Inquisition auch im 21. Jahrhundert noch lebendig. Dies führt immer wieder zu kirchlichen Repressionen, die die freie Meinungsäusserung zu unterdrücken trachten.

  • 2002 erschien zur Weihe der Donau Sieben das Buch Wir sind Priesterinnen von Werner Ertel und Gisela Forster (Hg.). Gegen das Buch erwirkte das Erzbischöfliche Ordinariat der Erzdiözese von München und Freising am 26. Juli 2002 beim Landgericht München 1 eine Einstweilige Verfügung. Sie verbat die Behauptung, „Ende Juni 2002 seien Frauen von römisch-katholischen Bischöfen zu Priesterinnen geweiht worden“. Darauf hat der Patmos Verlag den Vertrieb des Buches eingestellt und die verbleibende Auflage vernichtet.
  • 2012 erschien das Buch Unser Pfarrer ist eine Frau von Lea Ackermann und Helga Unger (Hg.) im Herder Verlag. Es wurde kurz nach seinem Erscheinen vom Verlag zurückgenommen und nicht weiter vertrieben, vermutlich infolge einer kirchlichen Intervention. Restexemplare wurden von der internationalen Frauenhilfsorganisation SOLWODI aufgekauft.
  • 2018 war der Theologe und Jesuit Ansgar Wucherpfennig für eine 3. Amtszeit als Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt wiedergewählt worden. Der Vatikan verweigerte Wucherpfennig, der sich kritisch zum Umgang der Kirche mit Frauen und Homosexuellen geäussert hatte, zunächst die Zustimmung, das nihil obstat. Aber Wucherpfennig hatte „mehr Glück als andere“ – nach massiver öffentlicher Kritik wurde die Zustimmung erteilt (s.a. Lüdecke, Der Fall Wucherpfennig).
  • 2020 schaltete das Generalvikariat des Erzbistums Köln die Homepage der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) in Köln ab. Anlass war ein Positionspapier der KHG von 2019, das u.a. die Einführung der Frauenweihe und die Anerkennung homosexueller Beziehungen befürwortete. Trotz einer online-Petition gegen die Zensur wurde das Papier nach Neustart der Homepage nicht mehr veröffentlicht, anders als auf der Homepage der Evangelische Studierenden Gemeinde Köln, die sich mit der KHG solidarisch erklärte. Aufgrund der vielfältigen Proteste – auch aus der Kirche selbst – gegen eine Kirche der Angst unterblieben aber die angedrohten arbeitsrechtlichen Schritte gegen die verantwortlichen Mitarbeiter.

Die Wirkung solcher Massnahmen ist massiv, wie folgendes Beispiel zeigt. In dem Buch „Weil Gott es so will“, das Philippa Rath 2021 herausgegeben hat, berichten 150 Frauen über ihre jeweiligen Berufungen in der Kirche. Davon werden 26 Beiträge anonym veröffentlicht. 17,3 % der Frauen (jede 6. Frau) leben in Angst vor Nachteilen für ihr Berufsleben durch die Amtskirche, wenn sie sich frei äussern – noch heute!

Gibt es die Inquisition noch?

Prüfstein für Synodalität:
Frauenweihe auf der Weltsynode in Rom offen thematisieren!

Sehr geehrter Heiliger Vater,

die römisch-katholische Kirche steht vor grossen Herausforderungen und Problemen. Die Welt ist im Umbruch und unsere Kirche muss sich – ohne ihren Glaubenskern zu verlieren – dieser Entwicklung stellen.

Dies führt schon seit einigen Jahren zu heftigen Kontroversen in der Kirche. In einigen Nationalkirchen wie in der Weltkirche haben diese Kontroversen Wunden geschlagen. Um die Wunden zu heilen, gibt es nur eine Lösung: Praktizierte Communio im lebendigen und offenen Dialog. Die Weltsynode schafft dafür mit der Weltbischofskonferenz 2023 zu Recht Platz.

Heilung gelingt aber nur, wenn die Weltsynode auch eines der besonders kontroversen Themen explizit aufgreift, das Priestertum der Frauen.

Wie Sie, Heiliger Vater, bin ich der Auffassung, „dass wir nicht nur in einer Zeit der Veränderungen leben, sondern vielmehr in einer Zeitenwende, die neue und alte Fragen aufwirft, angesichts derer eine Auseinandersetzung berechtigt und notwendig ist“ (Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, 29.6.2019).

Mit diesem Vorschlag für die Weltsynode möchte ich Ihnen auf einem Weg folgen, der uns „zur Suche nach einer freimütigen Antwort auf die gegenwärtige Situation ermuntert“ (ebenda).

Erlauben Sie mir zur Begründung meines Vorschlages folgende Bemerkungen.

1. Das Frauenpriestertum – ein aktuelles katholisches Thema

Beginnend mit dem II. Vaticanum ist das Frauenpriestertum in der römisch-katholischen Kirche ein kontroverses Thema. Mit der ersten öffentlichen Frauenweihe der „Donau Sieben“, die 2002 kirchenrechtswidrig erfolgte, begann eine Entwicklung, aus der bis heute etwa 300 Frauenpriesterinnen contra legem hervorgegangen sind. Aktivitäten (Gemeindeleitung u.a. in Amazonien) und Zeugnisse (s. Philippa Rath, „Weil Gott es so will„) vieler Frauen bekunden ihre Berufung zum Priesteramt.

Flankiert wird diese Entwicklung von einer Vielzahl von Organisationen, die sich für die Frauenweihe einsetzen. Maria 2.0 und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sind nur die öffentlichkeitswirksame Spitze dieses Eisberges in Deutschland. Weltweit gibt es viele ähnliche Initiativen, die über das Thema debattieren – auch wenn sie häufig weniger hörbar sind als in Europa und in den USA.

Auch Bischöfe erachten dieses Thema für relevant. Als einer von vielen befand 2020 der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Gerd Bätzing, dass er selbst als Teil einer Gesellschaft, in der die Gleichberechtigung dSynodalität in Aktion: „Frei und offen sprechen“er Geschlechter ein fundamentales Recht darstellt, zur innerkirchlichen Debatte: „Für mich ist die Frage nicht abgeschlossen, sondern sie ist als eine offene Frage da in der Kirche und muss als solche auch behandelt werden“.

2. Ordinatio sacerdotalis: kein Grund zum Schweigen

Als Papst Johannes Paul II. 1994 in seinem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis mit Nachdruck die Frauenweihe verwarf, erklärte er abschliessend, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (OS Nr. 4).

„Endgültig“ heisst selbstredend nur solange, bis die lehramtliche Auffassung sich ändert, was bekanntermassen immer wieder erfolgt. Solche Änderungen der Lehre sind nicht nur real, sondern auch wichtig, da sie die Zeichen der Zeit in die kirchliche Lehre und in einen lebendigen Glauben transformieren. Auch die derzeitige Lehre ist Ergebnis solcher Änderungen.

Vorher ist es für jeden Christen nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht, an diesen Änderungen mitzuwirken. Das kann durch eigene Reflexion, aber auch durch öffentliche Diskussion geschehen. Wer loyal auf eine Änderung der Lehre hinwirkt, beachtet die kirchliche Lehre und handelt ihr nicht zuwider. Wer offen über das Frauenpriestertum redet oder es für gut heisst, spricht nicht de doctrina lata, sondern de doctrina ferenda, nicht über die derzeitige Lehre, sondern über die zukünftige. Damit hält er sich an die päpstliche Entscheidung.

3. „Im Hören auf die Heilige Schrift“

Päpste kommen und gehen. Nur die Bibel bleibt. Was aber sagt die Bibel zur Frauenweihe? Die Auffassungen dazu sind kontrovers. Aber die Bibel ist nicht so ablehnend, wie die Kirche es erscheinen lässt.

Die höchste Autorität der Bibelauslegung, die päpstliche Bibelkommission befand 1976: Das Neue Testament fälle keine Entscheidung über die Ordination von Frauen zum Priestertum und folglich könne kein Verbot von Priesterinnen aus neutestamentlichen Aussagen herausgelesen werden; auch werde der Heilsplan Christi durch die Zulassung der Frauenordination nicht überschritten oder verfälscht.

Zu Recht thematisiert das vatikanische Vorbereitungsdokument für die Weltsynode „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ das „Hören auf die Heilige Schrift“ (Kapitel III) als zentrales Element einer synodalen Kirche. Es fordert das „gemeinsame Hören auf den Geist“ und verweist dabei auf Jesus:

„In einer Weise, welche die Zeugen überrascht …, nimmt Jesus all diejenigen als Gesprächspartner an, die aus der Menge heraustreten: er hört sich die leidenschaftlichen Einwände der kanaanäischen Frau an (Mt 15,21-28), die es nicht akzeptieren kann, dass sie vom Segen, den Er bringt, ausgeschlossen wird“ (Vorbereitungsdokument S. 13).

4. Synodalität in Aktion: „Frei und offen sprechen“

Eine synodale Kirche „geht gemeinsam“ und lädt demzufolge alle dazu ein, „mit Mut und Freimut zu sprechen“ (Vorbereitungsdokument S. 20). Das ist heute in der römisch-katholischen Kirche nicht selbstverständlich. Vielerorts ist es nicht möglich, weil die Freiheit dazu innerkirchlich aktiv unterdrückt wird.

In Deutschland und in benachbarten Ländern ist die freie Meinungsäusserung in jüngerer Zeit viel leichter geworden. Wer heute beispielsweise die Debatte über die Frauenweihe normativ für beendet erklärt, gehört innerkirchlich zu einer Minderheit. Wer sie zu unterbinden versucht, trifft auf wirkmächtige innerkirchliche, gesellschaftliche und rechtliche Widerstände. Er wird – auch als Hirte – kaum noch ernst genommen, weil er mit der Verweigerung der Debatte christliche Werte diskreditiert (vgl. Pacem in terris Nr. 7) und damit den Niedergang der Kirche beschleunigt.

In vielen Ländern vor allem ausserhalb Europas ist dies anders. Wer dort offen über das Frauenpriestertum spricht, ja es zukünftig für erstrebenswert hält, muss Sanktionen wie den Entzug der Missio oder sonstige arbeits- und dienstrechliche Einschränkungen fürchten. Solche innerkirchlichen Sanktionen von freien Meinungsäusserungen über die zukünftige Lehre der Kirche sind absolut inakzeptabel. Sie müssen unbedingt aufhören.

Die Weltsynode sollte mit einem guten Beispiel voran gehen, indem sie eine Debatte zum Frauenpriestertum offen führt. Damit würde die Kirche aktiv christliche Werte verteidigen, die in vielen Ländern unverändert von einigen Bischöfen grob missachtet werden.

5. Vorschlag für die Weltsynode
  • In tiefer Sorge um die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland und
  • in weltkirchlicher Mitverantwortung für die Heilung der durch stetige Kontroversen entstandenen und entstehenden Wunden,

bitte ich Sie, eine eingehende Debatte über das Frauenpriestertum in der römisch-katholischen Kirche auf der Bischofskonferenz der Weltsynode 2023 zu ermöglichen und offiziell vorzusehen, die

  • offen ist für jeden – für Laien und Kleriker -,
  • offen ist für alle Inhalte und
  • offen ist für alle Ergebnisse.

Die Zeit ist reif. Eine Weltsynode, die sich heute nicht für eine Debatte über das Thema Frauenpriestertum in unserer Kirche öffnet, hätte ihren eigenen Anspruch verfehlt.

Ich wünsche unserer Kirche den Mut, die Zeichen der Zeit zu erkennen und gemeinschaftlich in den heilenden Austausch zu gehen – also wirklich syn-odal zu sein.

Hochachtungsvoll in Christus verbunden

Stephan Rohn

Papst Benedikt XVI., vormals Joseph Kardinal Ratzinger, ist zu Recht ein geachteter und geehrter Mann. Aber auch ein Mensch mit Fehlern.

Ein am 20.1.2022 vorgestelltes Gutachten wirft ihm schwere Fehler im Umgang mit dem Missbrauchsgeschehen in seiner Zeit als Erzbischof von München in den 80er Jahren vor. Und es überführt ihn, der mit 94 Jahren am Ende seines langen und bewegten Lebens steht, in dieser Angelegenheit der Lüge. Denn er behauptete 2021 schriftlich, an einer entscheidenden Sitzung nicht teilgenommen und somit nichts gewusst zu haben. Aber er war nachweislich anwesend.

Speyerer Dom, Edith-Stein-Gedenkstätte in der Taufkapelle/Doppelkapelle unten

Seine Anhänger werfen den Kritikern des emeritierten Papstes eine Kampagne, gezielte Schädigung, in sozialen Netzwerken sogar Verrat vor. Insbesondere in Deutschlands konservativen Kirchenkreisen ist die Empörung über die Kritiker gross, da es ja „unser“ Papst ist, der angegriffen wird.

Wer so denkt und so spricht, dem sei ein Wort der heiligen Edith Stein vorgehalten, die vom Judentum zum Christentum konvertierte, Dominikanerin und Wissenschaftlerin wurde und von den Nationalsozialisten als Jüdin in Auschwitz ermordet wurde. Sie gilt als Brückenbauerin zwischen den Konfessionen:

Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.

Und so ist die Antwort auf diejenigen, die die Kritiker verurteilen, eine einfache Frage: Sucht Ihr Gott?